Kuessen al dente - Roman
keinen Bissen mehr runter.« Sie lehnte sich zurück und atmete schnaufend aus, während sie sich dabei den Bauch rieb. »Aber gut, überredet.«
Georgia und Gabri saßen um einen großen runden Tisch in der voll besetzten Osteria de Benci zusammen mit Cesca und Oscar, einem alten Freund von Gabri, der irgendwie adlig war und das bereits mindestens ein Dutzend Mal erwähnt hatte. Gabri hatte sich schon vorab bei Georgia entschuldigt, dass er Oscar so kurzfristig dazugebeten hatte. Dieser sei gerade erst aus Mailand angekommen, und obwohl er mitunter ein richtig nervender Angeber sein konnte, habe er sich doch verpflichtet gefühlt, ihn einzuladen. Georgia hatte alle Mühe zu begreifen, ob er ein Ferragamo- oder ein Agnelli-Spross war oder beides, und noch schwerer fiel es ihr, so zu tun, als ob sie das tatsächlich interessierte. Wenn sie das richtig mitgekriegt hatte, interessierte er sich keinen Deut für das Familienunternehmen, stellten die nun Schuhe her oder Autos,
sondern gefiel sich in der Rolle des amerikanischen Profi-Glücksritters, der sich als Pokerspieler versuchte.
»Ihr Amerikaner«, erklärte Oscar und wedelte sich mit dem Handrücken frische Luft zu. »Ihr esst immer viel zu viel.«
Gabri ließ den Löffel sinken. »Oscar!«, fuhr er ihn scharf an.
»Was ist denn? Wenigstens ist sie nicht fett.« Oscar legte den Kopf schief und musterte Georgia. »Zumindest noch nicht.«
Während der Vorspeise – Georgia hatte Ravioli mit Broccolifüllung bestellt, die ausgezeichnet schmeckten – hatte sie eine Hand auf ihrem Knie gespürt. Als diese Hand dann langsam ihren Oberschenkel hochkroch, schlug sie diese mit aller ihr zu Gebote stehenden Kraft weg und hoffte, dabei ein sehr empfindliches Nagelbett getroffen zu haben. Bingo. Oscars blutunterlaufene Augen weiteten sich, er biss sich auf die Unterlippe und funkelte sie wütend an. Von dem Moment an war er mit jedem Schluck Wein unverschämter zu ihr geworden.
»Was haben Sie gesagt, Oscar?«, fragte Georgia und fächelte sich Luft zu, genau wie er es vorhin getan hatte. »Ich habe schon den ganzen Abend Mühe, Sie zu verstehen«, log sie mit einem breiten Lächeln. Sein Englisch war nämlich makellos.
»Ich war auf einer Boarding School in England.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie über seine Adlernase hinweg an. »Mein Englisch ist perfekt.«
Sie legte die Hand an ihr Ohr. »Sie waren Snowboarden in England? Und beherrschen es perfekt? Interessant. Wusste gar nicht, dass England ein Skiparadies ist.«
Gabri und Cesca kicherten. Wie sie da nebeneinandersaßen,
sahen sie aus wie eineiige Zwillinge. Der einzige Unterschied war, dass Cesca ihr schwarzes Haar lang und offen trug, wohingegen Gabri es kurz geschnitten hatte. Abgesehen davon besaßen beide die gleichen hohen Wangenknochen, volle Lippen und den hellen Teint der von Mutter Natur Begünstigten. Obwohl Georgia den Eltern der beiden nie begegnet war, stellte sie sich vor, dass sie aussehen mussten wie Sophia Loren und Marcello Mastroianni.
Oscar warf verzweifelt die Hände in die Luft. »Diese Frau wird mich nie verstehen. Aber was kann man von einer Amerikanerin schon erwarten?«
»Am besten, man erwartet gar nichts«, erwiderte Cesca. »Dann wird man auch nicht enttäuscht.«
Ein zierlicher Mann mit wilden grauen Haaren und schiefem Gang steuerte auf ihren Tisch zu. »Georgia!«, rief er mit einer tiefen Stimme, die man normalerweise einem kräftigeren Mann zugetraut hätte. »Dann ist es also wahr, eh? Wir haben Gerüchte gehört, dass du auf dem Weg zu uns bist, und hier sitzt du. Wie schön, dich wiederzusehen.«
Georgia stand auf und küsste die geröteten Wangen des Mannes. »Vincenzo. Ich freue mich ja so, dich zu sehen. Und dich auch, Katherine.« Sie wandte sich an Vincenzos Frau, eine große Engländerin mit einem spitzen, beinahe fuchsartigen Gesicht und der leicht gebeugten Haltung einer Frau, die seit zehn Jahren mit einem sehr viel kleineren Mann verheiratet war. Die beiden besaßen einige Restaurants in Florenz und waren gute Freunde von Claudia. Sie kannten sich aus der Zeit, als Georgia im La Farfalla ihr Praktikum gemacht hatte.
Als Georgia den beiden die übrige Tischgesellschaft vorstellen wollte, stellte sich heraus, dass sich alle bis auf Oscar, der kurz »Hallo« grunzte, kannten.
»Ihr wisst, was gut ist, eh?« Vincenzo nahm die leere
Weinflasche vom Tisch und pfiff durch die Zähne, ein Laut, den Georgia bis in alle Ewigkeit mit Italien in
Weitere Kostenlose Bücher