Kuessen al dente - Roman
sich einfach mit ihr unterhalten, und sie sich mit ihm.
Sie hielt ihm die Zigarette hin; am Filter schimmerte ein Hauch von ihrem Lipgloss. »Möchten Sie die wieder zurückhaben? Ich rauche nämlich eigentlich nicht mehr.«
Er schüttelte den Kopf, und sie schnippte die Zigarette lässig in den Mülleimer an der Straßenlaterne.
»Sie haben einen guten Arm«, bemerkte er. »Sagt man nicht so in Amerika? Ein guter Arm?«
»Ja, stimmt.« Sie hätte gern eine witzige oder kluge Bemerkung angefügt, merkte jedoch, dass sie nur daran denken konnte, wie sehr ihr seine Art zu sprechen gefiel, wie er rauchte und wie er roch. Und dass er einer der wenigen Männer war, die einen Trenchcoat tragen konnten, ohne darin auszusehen wie einer dieser Wall-Street-Krieger auf dem Weg zur ersten U-Bahn nach Larchmont.
»Und, wie werden Sie Ihren Urlaub in Florenz verbringen? «
»Mir bleiben nur noch wenige Tage hier.« Sie schluckte, nahm all ihren Mut zusammen. »Vielleicht könnten Sie mir die Stadt zeigen? Wir könnten uns zum Lunch treffen?«
Die glimmende Zigarette stoppte auf dem Weg zu seinem Mund und verharrte dort wie ein Warnsignal, bis er die Hand wieder an seinen Oberschenkel sinken ließ. »Das würde ich wirklich gern, aber es geht nicht. Ich bin selbst nur noch ein paar Tage in der Stadt. Und ich habe eine Freundin, eine Lebensgefährtin. Tut mir leid.«
»Oh«, entfuhr es Georgia. Ihre Wangen begannen zu glühen. »Das ist schon in Ordnung. Ich meine, kein Problem. Das muss Ihnen nicht leidtun. Wie ich schon sagte, ich bin auch bald weg. Ich gehe nach San Casciano. Ein kleines Städtchen und angeblich sehr hübsch. Ich arbeite dort.«
Seine Augen weiteten sich interessiert. »In San Casciano?«
»Kennen Sie es?«
»Si, si, si. Aber sicher. San Casciano ist wunderschön. Es wird Ihnen dort gefallen, da bin ich mir sicher.« Er hielt seine Zigarette hoch, als prostete er ihr mit einem Glas Champagner zu, und lächelte. »Danke für das Feuer. War nett, Sie kennenzulernen. Gute Nacht.« Er drehte sich um und ging davon, in die entgegengesetzte Richtung der Osteria de Benci.
Georgia sah ihm ein paar Augenblicke hinterher und fragte sich, wohin er gehen mochte. Aber es war dunkel und die Straße nur spärlich beleuchtet. Als sie seine Gestalt kaum noch erkennen konnte, ging sie zurück ins Restaurant und nahm den Geruch nach Orangen, Oliven und Rauch in Gedanken mit.
11
D ie toskanische Landschaft flog in einem Kaleidoskop von Formen und Farben an ihr vorbei. Grüne Wiesen und Bäume verschmolzen mit dem blauen Himmel, mit violetten und gelben Blumen, pfirsichgelben Villen und rotbraunen Bauernhäusern; dazwischen leuchtete gelegentlich die rot-weiße Fassade eines Auto Grill auf, die italienische (köstliche) Antwort auf Fastfood. Georgia genoss die Szenerie vom Rücksitz eines vollgepackten Lancia aus, am Steuer saß Richard, die eine Hälfte des verliebten britischen Pärchens aus dem Hotel Leo. Am Morgen hatte Cesca Georgia im Frühstücksraum an den Tisch der beiden bugsiert und sie als die bekannte amerikanische Küchenchefin vorgestellt, die zufällig in die gleiche Richtung unterwegs sei und eine Mitfahrgelegenheit suche. Die Briten kauften Cesca die Geschichte von der berühmten Köchin nicht wirklich ab und schienen auch nicht sonderlich begeistert von der Idee eines weiteren Passagiers, doch Cesca war nicht die Sorte Frau, der man etwas ausschlug. Also wurde Georgia zusammen mit ihrem riesigen Koffer, einer »L. L. Bean«-Tragetasche und ihrer überdimensionalen Handtasche auf den Rücksitz des winzigen roten Wagens verfrachtet, nebst einem Stapel Reiseführer und drei nagelneuen schwarzen Schirmen, die dem Pärchen gehörten. Offenbar erwarteten Richard und Hillary Regen.
Um den beengten Raum optimal zu nutzen, legte Georgia das rechte Bein über das linke und quetschte sich in die Ausbuchtung der Tür, aber erst nachdem sie dreimal überprüft
hatte, ob diese auch wirklich sicher versperrt war. Es war beileibe nicht die komfortabelste Art zu reisen und auch nicht die eleganteste, aber eine kostenlose Mitfahrgelegenheit auszuschlagen war nicht ihre Art. Doch als ihre rechte Pobacke taub und sie von Visionen blauer Krampfadern heimgesucht wurde, begann sie zu wünschen, sie hätte das Angebot doch abgelehnt.
Bei jeder Drehung des Lenkrads machte ihr Magen einen Satz, und das lag nicht nur an Richards rasantem Fahrstil. Sie hatte Claudia vor ein paar Tagen angerufen, und obgleich ihr die
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