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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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hinaus, um frische Luft zu schnappen.
    Die sechs, sieben Tische draußen auf dem Gehsteig wurden von lachenden Einheimischen, beschwipsten Touristen und Rauchern verschiedener Nationen besetzt. Obwohl es ein wenig abgekühlt hatte, lag doch das unmissverständliche Versprechen des nahenden Sommers in der Luft. Eine Horde junger Amerikaner rannte grölend und lachend vorbei,
ohne Zweifel auf dem Weg in den Irish Pub um die Ecke. Georgia ging ein paar Schritte und blieb vor dem Schaufenster einer geschlossenen Apotheke stehen. Apotheken zu studieren war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen in Italien, boten sie doch die kuriosesten Kräuterheilmittel gegen beinahe alle Unbefindlichkeiten des Lebens an, von Akne bis hin zu überschüssigen Pfunden, die den Kunden von geschulten Verkäuferinnen und Verkäufern in schneeweißen Kitteln empfohlen wurden. Ganz fasziniert von der Reklametafel einer lebensgroßen Bikinischönheit mit einem um die Taille gewickelten Maßband und einem Strauß Gänseblümchen, der aus ihrem Kopf zu sprießen schien, fuhr Georgia erschrocken herum, als sie hinter sich eine Stimme hörte.
    » Scusi, Signora, ha fuoco ?« Vor ihr stand ein Mann, Ende dreißig, mit breiten Wangenknochen, schweren Augenlidern und einer Zigarette zwischen den Lippen. Er trug einen knielangen Trenchcoat und sah gelangweilt aus. Äußerst attraktiv und gelangweilt.
    »Einen Moment«, sagte Georgia. Auch wenn sie sich seit Jahren keine Zigarette mehr angezündet hatte, sammelte sie immer noch die Streichholzbriefchen von Bars und Restaurants. Sie reichte ihm eines, sah zu, wie er es aufklappte und ein Streichholz anriss.
    Er inhalierte tief und blies den Rauch in den Himmel. Dann hielt er das Briefchen in den Lichtkegel der Straßenlaterne und las die Aufschrift.
    » Lei é americana? «, fragte er und reichte ihr die Streichhölzer zurück.
    » Sì, sono di New York. «
    »Ich war einmal in New York«, erwiderte er in bestem Englisch. »Diese Energie. Die Menschen, die unentwegt von A nach B hasten. Hören die denn nie damit auf?«

    »Nicht wirklich«, lachte sie.
    »Hier auch nicht mehr.« Wie zur Bestätigung rasten zwei Vespas knatternd die Straße entlang. »Früher einmal war uns die Familie am wichtigsten. Freunde. Das Leben. Heutzutage jagen alle dem Erfolg hinterher. Dem Geld.«
    »Ich glaube, so ist es überall.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ja, vielleicht.« Er deutete mit der Zigarette hinüber zu den Tischen im Freien. »Haben Sie bei Benci gegessen?«
    »Ja. Sie auch?«
    »Nein, gegenüber. Bei Gino. Da ist es ruhiger, aber sie machen vorzügliche Pasta Bolognese. Meine Lieblingspasta.« Er klopfte sich mit der Hand auf den Bauch und lächelte selig. Offenbar hatte die Erinnerung an diesen Gaumenschmaus seinen Unmut über die kapitalistische Neigung seines Landes verdrängt. »Verzeihen Sie. Ich bin so unhöflich. Möchten Sie auch eine?« Er hielt ihr eine Packung Marlboro hin.
    Sie beobachtete, wie seine Finger beim Ziehen seine Lippen streiften, wie die Hand anschließend lässig an seinem Oberschenkel ruhte, wie eine dünne Rauchfahne beim Sprechen zwischen seinen Lippen entwich, bemerkte den leicht gepressten Klang seiner Stimme – ja, sie wollte eine Zigarette. Ihre erste Zigarette seit fünf Jahren, und sie wollte sie mit ihm rauchen.
    »Gern«, sagte sie und zog eine Zigarette aus der Packung. Die behielt sie dann stumm in der Hand, bis ihr einfiel, dass er ihr die Streichhölzer ja schon zurückgegeben hatte, und fischte sie wieder aus ihrer Tasche.
    Als er dann ein Feuerzeug aus der Manteltasche zog, sah Georgia hoch, in sein von der Flamme angestrahltes Gesicht. Unter seinem linken Auge bemerkte sie eine dünne weiße Narbe von der Größe einer Nähnadel.

    »Ich dachte, Sie brauchten Feuer«, sagte sie und nahm die unangezündete Zigarette aus dem Mund.
    »Brauchte ich auch«, antwortete er.
    »Aber warum haben Sie mich um Feuer gebeten, wenn Sie ein eigenes Feuerzeug in der Tasche haben?« Er roch nach einer Mischung aus Orangen, Oliven und Rauch. Wenn jemand diesen Duft auf Flaschen ziehen könnte, sinnierte Georgia, würde sie ein ganzes Fass davon kaufen.
    »Keine Ahnung.« Er hob die Schultern und zog dabei die Mundwinkel ein wenig herab. »Ich dachte, Sie sehen nett aus und haben vielleicht Lust zu plaudern. Eine kurze Unterhaltung. Einfach so.«
    Dieser Typ, attraktiv und irgendwie erdig, der aussah wie Javier Bardem und Spaghetti Bolognese liebte, hatte sie gesehen und wollte

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