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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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Unterhaltung zu der Zeit absolut freundlich erschienen war, kam sie ihr im Nachhinein ein wenig kurz vor. Was, wenn Claudia – kinderlos, nicht verheiratet, Streit mit ihrem Freund – nicht mehr dieselbe lustige, überschwängliche Restaurantbesitzerin war, die Georgia kannte? Was, wenn Alter und Enttäuschung sie verändert hatten? Und was, wenn – und das war die Frage, die Georgia nicht hatte schlafen lassen wie ein hässlicher Fall von Lebensmittelvergiftung –, was, wenn sie sich selbst ebenfalls veränderte? Wenn sie ahnungslos jede Chance auf Mann und Kind verstreichen ließe und direkt die Abkürzung zum Status der alten Jungfer nahm? Mit dreiunddreißig war sie kein pollo novello mehr. Vor zehn Jahren hatte sie damit gerechnet, mit dreißig verheiratet und Mutter von zwei oder drei Kindern und Besitzerin von zwei, vielleicht drei Restaurants zu sein. Hochgesteckte Ziele, sicherlich, aber die Chancen standen drei oder zwei zu eins und waren somit nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Stattdessen klemmte sie auf dem Rücksitz eines zweitklassigen italienischen Sportwagens fest, Kindern, Ehemann und Restaurants keinen Schritt näher als vor einem Jahrzehnt, dafür mit bedrohlich anschwellenden Beinvenen.

    »Das muss es sein.« Richard stieg auf die Bremse und der Lancia kam ruckartig neben einem silbrigen Eukalyptusbaum zum Stehen.
    Hillary sah auf das schmiedeeiserne Tor und streckte den Finger aus, um auf den Knopf der Gegensprechanlage zu drücken. »Villa della Porta Accanto« verhieß ein weiß-blaues Keramikschild mit schwarzen Druckbuchstaben. Villa Nebenan.
    »He, warte einen Moment«, brüllte Georgia vom Rücksitz aus. »Ich bin noch nicht so weit.«
    »Kannst es wohl nicht ertragen, uns zu verlassen?«, fragte Richard. »Oder wirst du meinen Fahrstil vermissen?« Er kletterte aus dem Wagen und begann Georgias Gepäck vom Rücksitz zu zerren.
    »Deinen Fahrstil, ganz bestimmt«, meinte Georgia sarkastisch. Abgesehen davon, dass sie während der gesamten Fahrt unaufhörlich aneinander rumgefummelt hatten (keine Frage, hätte sie nicht auf dem Rücksitz gekauert, wäre da noch ganz was anderes abgegangen), waren die beiden Briten ganz in Ordnung. Sie konnte sie nicht dafür hassen, dass sie verliebt waren.
    Der spätnachmittägliche Himmel war diesig vor Hitze, die Luft schwer und feucht. Argwöhnisch befühlte Georgia ihre Frisur. Kräuselfaktor sieben, schätzte sie, wobei sie sich mangels Spiegel allein auf ihren Tastsinn verlassen musste. Mit einem leisen Seufzer fummelte sie ihre Haare zu einem Knoten zusammen und sicherte diesen mit einem Gummiband. Was soll’s? Claudia hatte sie schließlich nicht wegen ihrer Frisur angeheuert.
    »Wünscht mir Glück, Leute«, sagte sie. Sie ignorierte den Klingelknopf und drückte gegen das Tor. Es schwang auf.
    »Du wirst ganz fantastisch sein, Georgia«, sagte Richard,
knallte die Fahrertür zu und legte den ersten Gang ein. »Absolut fantastisch.«
    »Toodle-oo, Schätzchen!«, rief Hillary.
    »Sie meint ba-bye«, brüllte Richard und streckte den Kopf aus dem Fenster. »Sagt ihr Yankees das nicht so?«
    Georgia winkte zum Abschied und sah den beiden hinterher. Der Wagen wurde immer kleiner und kleiner, bis er aussah wie ein staubiger Apfel auf der Straße. Langsam drehte sie sich um und nahm dabei das Bild der grünen Hügel mit den Weingärten und den in den Himmel ragenden Zypressen in sich auf – ihr Zuhause für die nächsten vier Monate. Mit der großen Einkaufstasche über der einen Schulter, ihrer Handtasche über der anderen und dem riesigen Rollkoffer, den sie über den spitzen Schotter hinter sich herzerrte, marschierte sie die lange Zufahrt zum Haus entlang.
    Niemand öffnete die Tür. Nach dem dritten energischen Klopfen folgte sie dem Schotterweg ums Haus herum zur Rückseite der Villa. Vor dem hinteren Eingang blieb sie stehen, presste die Nase an eines der beiden kleinen Fenster rechts und links der Tür und legte die Hände seitlich ans Gesicht, um besser sehen zu können. Ein paar große Gummistiefel standen neben einem kleineren Paar dicker Winterstiefel, daneben ein Paar alte Tennisschuhe. An einem leeren Schirmständer lehnte ein brauner Schirm, an einem Garderobenhaken hing ein glänzender Regenhut. Das Haus war definitiv bewohnt, wie Georgia erleichtert feststellte; trotzdem fragte sie sich, ob Claudia ihre Ankunft vergessen und nach Sizilien oder Sardinien oder in sonst ein mediterranes Paradies entflohen war. Gerade hob sie

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