Kuessen al dente - Roman
schnarchten. Diese eingebildete Szene hatte sie so melancholisch gestimmt, dass sie schwor, nicht mehr an Glenn zu denken, wenn sie dafür ein paar Stunden Schlaf fände. Irgendwie hatte das Tauschgeschäft funktioniert, und bald darauf war sie in einen tiefen Schlaf gesunken.
Sie beäugte die fünf anderen Leute, die mit ihr an dem großen Küchentisch saßen, und kam sich vor wie ein Kandidat bei einer kulinarischen Realityshow. Das einzige bekannte Gesicht unter den fünfen war Brunos. Der saß mit verschränkten Armen am Kopfende des Tischs, rechts von ihm ein junges Mädchen mit Stupsnase und einem Mund wie Clara Bow. Georgia, die links von ihm saß, hatte das Pech, seine rechte Gesichtshälfte im Blickwinkel zu haben, auf der ein fetter Eiterpickel prangte. Am Herd stand ein Mädchen in einem weißen Polohemd und Bermudashorts, das die Eier zubereitete, die Claudia ihnen versprochen hatte, bevor sie mit wehender schwarzer Tunika aus der Küche gerauscht war. Das Mädchen summte ein Lied, das wie »Just What I Needed« von den Cars klang, und tupfte sich gelegentlich mit einem Geschirrtuch die glänzende Stirn ab.
Die Gruppe auf Koffeinentzug saß schweigend da und wartete. In der Mitte des Tischs funkelten etliche Champagnerflöten, daneben stand ein Korb mit glänzendem Silberbesteck und Leinenservietten. Georgia nahm sich Besteck und eine Serviette und arrangierte beides um ihre Kaffeeschale. Dieses
»Anpfiff-Frühstück«, wie Claudia es genannt hatte, war ein Pflichttermin für den harten Kern der Küchenbrigade. Die, die hier versammelt waren, waren nicht nur Kollegen, sondern auch Hausgenossen. Während der Hochsaison würden die meisten von ihnen in der Villa wohnen, die groß genug war, um sie alle unterzubringen, wenn auch in Zimmern mit unterschiedlichem Komfort. Zeitig an diesem Morgen hatte Claudia an ihre Türen geklopft und gerufen, dass sie sie um Punkt sieben unten in der Küche erwarte. Georgia kam sich ein bisschen so vor wie in einem Ausbildungslager für Gastronomieangestellte, aber es war auch nicht schlimmer, als bei einem Mitarbeitermeeting im Marco zum Training in einem Fitnessstudio verdonnert zu werden.
Nach wenigen Minuten drehte das Mädchen die Gasflamme aus und stellte eine Platte mit luftigen Rühreiern auf den Tisch, die sie noch mit einer großzügigen Portion geriebener schwarzer Trüffel verfeinerte. Es folgte ein Korb mit gebutterten Toastscheiben, eine Platte mit Wurst und eine mit Käse. Beim Gehen schwang der lange braune Zopf des Mädchens lustig hin und her. Sie lächelte Georgia an und enthüllte dabei zwei niedliche Grübchen. Georgia, die dieses Lächeln als Aufforderung wertete, sich zu bedienen, lächelte zurück, nahm sich zwei Löffel von dem Rührei, ein paar Scheiben Bresaola und etwas Schinken. Nach ein paar Bissen und einem vorsichtigen Schluck Cappuccino fühlte sie sich genügend gestärkt, um mit ihrem anderen Tischnachbarn ein Gespräch zu beginnen.
»Hi. Ich bin Georgia. Und wie heißt du?«
»Tonio. Und du bist die Amerikanerin.« Er hatte rostbraune Haare, die ihm wie Stacheln vom Kopf abstanden, und die ganzen Arme voller Sommersprossen.
»Ist das so offensichtlich?«, scherzte Georgia und trank
ihren Cappuccino, der endlich abgekühlt war. »Dann kannst du nur der Italiener sein.«
»Wir sind alle aus Italien«, erklärte er mit steinerner Miene. »Bis auf dich.«
»Richtig«, sagte Georgia und sah ihm in die Augen. Seine durchscheinenden Wimpern könnten etwas Mascara vertragen, dachte sie.
Das Mädchen mit dem langen Zopf setzte sich auf den leeren Stuhl gegenüber von Georgia. »Hi«, sagte sie. »Ich bin Vanessa. Und du musst Georgia sein.«
»Das bin ich«, antwortete Georgia. »Die einzige Nicht-italienerin, wie Tonio bereits betont hat.«
»Beachte ihn einfach nicht. Er hat nur miese Laune.« Sie beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. »Beinahe so miese wie unser Boss.«
»Claudia? Aber die ist doch …«
» Buongiorno , alle miteinander!« Claudia kam mit einem Grinsen, das von einem Ohr zum anderen reichte, in die Küche spaziert. »Willkommen in der Villa della Porta Accanto und, viel wichtiger, in der zukünftigen Trattoria Dia.«
Donnernder Applaus ertönte, und sogar Bruno lächelte. Georgia gab seinem Pickel nur noch ein paar Stunden, ehe der Eiter ausbrechen würde wie Lava aus dem Vesuv.
»Ich habe dieses Team sorgfältig handverlesen, Köche aus meinen eigenen Betrieben ausgewählt, von den besten Adressen
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