Küssen auf eigene Gefahr
hinterherzuschauen, nachdem sie an ihnen vorbeigegangen war. Na toll. Von der Vorstellung, dass er die Sache unauffällig über die Bühne bringen könnte, sollte er sich wohl besser verabschieden.
Wenigstens hatte sie nur einen Bruchteil von den zehn Pfund Make-up in ihrem Köfferchen verwendet, wie Sam mit Erleichterung feststellte, als sie zurückkam. Sie hatte Lippenstift und Wimperntusche aufgetragen, aber das schien auch schon alles zu sein. Und sie hatte Gott sei Dank auch auf die auffällige Frisur verzichtet, mit der er sie gestern am Flughafen gesehen hatte. Ihm war durchaus bewusst, dass er anfing, sich an Strohhalme zu klammern. Ihre Haare waren glatt gebürstet und oben auf ihrem Kopf zu einem kleinen Knoten geschlungen. Es hätte brav aussehen können, verdammt noch mal. Aber der Knoten war bereits leicht nach einer Seite verrutscht, und außerdem hatten sich ein paar schimmernde Strähnen gelöst und fielen über ihren Nacken und ihren langen, weißen Hals. Sie sah so aus, als wäre sie gerade aus dem Bett irgendeines Kerls gekrochen.
Seine letzte Hoffnung, kein Aufsehen zu erregen, löste sich in Luft auf.
Zumindest war sie heute nicht mehr so rebellisch. Sam war mittlerweile schon für jede Kleinigkeit dankbar. Er trat einen Schritt zur Seite, um sie auf ihren Platz zu lassen.
Sie sah ihn an. »Wie lange brauchen wir bis Florida?«
»Dreieinhalb Tage.«
Er meinte, in ihren Augen einen Anflug von Panik zu selben, aber wenn dem so war, hatte sie sich gut unter Kontro1le, da sie nur nickte. »Ich habe Hunger«, war alles, was sie sagte.
»Wir werden in ungefähr zehn Minuten eine Pause machen. Halten Sie es noch so lange aus, oder wollen Sie gleich etwas, um die Zeit bis zum Frühstück zu überbrücken?«
«Ich warte.« Catherine war es ganz recht, noch ein paar Minuten zu haben, weil ihr das eine Verschnaufpause ließ, bevor sie den Plan, den sie gefasst hatte, in die Tat umsetzte. Ihr Magen knurrte zwar, aber Hunger war nicht ihr größtes Problem. Es waren ihre Nerven, und auch die langsamen, tiefen Atemzüge, zu denen sie sich zwang, halten nicht besonders viel.
Zehn Minuten später erreichte der Bus Boise, und weitere fünf Minuten später hielt er auf dem Parkplatz eines Cafés. »Frühstückspause, Leute«, verkündete der Fahrer und öffnete die Tür. »Sie haben fünfundvierzig Minuten, und ich rate Ihnen, nicht herumzutrödeln. Ich fahre pünktlich ab.«
Ein Stück weiter vorne im Gang mühte sich eine kleine weißhaarige Frau damit ab, ein sperriges Päckchen in der Gepäckablage zu verstauen. Die anderen Fahrgäste rempelten sie an, während sie an ihr vorbei zum Ausstieg drängten, und schimpften leise vor sich hin. Zu Catherines Erstaunen blieb Sam neben der Frau stehen.
»Warten Sie, Ma'am, ich helfe Ihnen«, sagte er, nahm ihr das Päckchen aus den Händen und schob es ohne Mühe in die Ablage. Zum Schluss klopfte er noch einmal kurz mit der flachen Hand dagegen, beantwortete den Dank der Frau mit einem zurückhaltenden Lächeln und bedeutete ihr vorauszugehen.
Während sie das Café betraten und an einem kleinen Tisch neben dem Tresen Platz nahmen, musterte Catherine ihn verstohlen unter gesenkten Wimpern. Mit seinen dunklen Bartstoppeln, dem verdrießlichen Zug um den Mund und seinen stechenden goldbraunen Augen sah er irgendwie gemein aus, und ihre bisherigen Erfahrungen mit ihm hatten weiß Gott nicht dazu beigetragen, ihr einen anderen Eindruck zu verschaffen. Wer hätte da gedacht, dass er so charmant lächeln konnte? Ungefähr dreißig Sekunden lang hatte ihn dieses Lächeln nett und fast schüchtern aussehen lassen. Sie schüttelte den Kopf und nahm von der Kellnerin die Speisekarte entgegen. Um ihre Nerven musste es schlimmer bestellt sein, als sie geglaubt hatte, wenn sie schon über solche albernen Dinge nachdachte.
Catherine studierte die Karte und suchte nach dem teuersten Gericht. Und richtig, Sam verzog schmerzlich das Gesicht, als sie ihre Bestellung aufgab. Gewöhn dich dran, McKade , riet sie ihm im Stillen. Ich werde da zuschlagen, wo es dir am meisten wehtut - bei deinem kostbaren Zeitplan und deinem verflixten Geldbeutel.
Der Gedanke an das, was sie vorhatte, ließ ihren Atem schneller und flacher werden, und sie zwang sich, tief ein-und auszuatmen, bis sich ihr Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte. Jetzt kam es auf das richtige Timing an, und so gerne sie die Sache schnell hinter sich gebracht hätte, sie würde nicht alles vermasseln, indem sie
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