Küssen auf eigene Gefahr
herumhantierte.
Kaylee, die einen tatkräftigen Menschen erkannte, wenn sie ihn vor sich hatte, wandte ihre Aufmerksamkeit dem Rancher zu. »Bitte, Mister«, sagte sie flehend. »Holen Sie ihn da raus. Er ist nicht freiwillig da drin, und ich habe Sorge, dass er verletzt sein könnte.«
Der Rancher betrachtete die Tür. »Ich denke mal, dass ich sie eintreten könnte.«
Irv fuhr hoch und setzte an, etwas zu sagen, aber Kaylee, die befürchtete, er würde nur wieder zu einer Tirade über die Unantastbarkeit seines Eigentums ansetzen, ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Besser nicht«, widersprach sie, wenn auch zögernd. »Sie könnten ihn dabei möglicherweise noch schlimmer verletzen. Es klingt so, als ob er direkt hinter der Tür auf dem Boden liegt.«
Der Rancher ging vor dem Werkzeugkasten in die Hocke und wühlte darin herum. Nachdem er gefunden hatte, was er suchte, richtete er sich wieder auf und trat an die Tür. »Geh mal zur Seite, Irv«, sagt er.
Irv tat wie ihm geheißen, und der Rancher rückte an seinen Platz. Wenige Augenblicke später war die Tür einen Spalt weit auf - so weit, wie es Bobbys lebloser Körper zuließ.
Kaylee schlüpfte hinein. »Bobby?«
Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, und Kaylee stöhnte verzweifelt auf, als sie die hühnereigroße Beule an seinem Hinterkopf entdeckte. In der Mitte war eine Platzwunde zu sehen, an deren Rändern schwarzes verkrustetes Blut klebte.
»Oh mein Gott.« Sie kniete sich neben ihn.
Sein nackter Arm fühlte sich eiskalt an. »Bobby?«
»Wie sieht's da drin aus, Miss?« Der Rancher quetschte seine stämmige Gestalt durch den schmalen Türspalt und stand dabei für ein paar Sekunden im Licht, das von draußen hereinfiel. »Geht's ihm gut?«
»Nein. Er ist ganz kalt, und er sagt nichts, und...« Kaylee hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie begann zu keuchen und merkte, dass sie am Rand der Hysterie stand. Hilflos streckte sie eine Hand nach dem Rancher aus. »Bitte«, sagte sie flehend zwischen zwei mühsamen Atemzügen. »Bitte.«
»Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung.« Er steckte den Kopf durch die Tür nach draußen. »Kann mir mal jemand eine Papiertüte holen?« Dann wandte er sich wieder Kaylee zu, fasste sie mit seiner schwieligen braunen Hand am Arm und half ihr aufzustehen. »Gehen Sie schon mal raus, Miss. Ich werde ihn nach draußen schaffen, und dann werden wir auch sehen, was mit ihm los ist.«
Kurze Zeit später legte er Bobby auf den von der Sonne erwärmten Beton vor dem Kühlhaus und zog ein blütenweißes Taschentuch aus seiner Hosentasche, um die Wunde an Bobbys Kopf zu bedecken und zu verhindern, dass sie mit dem schmutzigen Boden in Berührung kam. Kaylee kauerte sich neben Bobby. Sie hätte sich gern nützlich gemacht, aber momentan war sie ungefähr eine ebenso große Hilfe wie der Mann, der da ausgestreckt vor ihr lag, weil sie vollauf damit beschäftigt war, keuchend nach Luft zu ringen. Zum Glück kam jetzt einer der Köche angerannt und wedelte mit einer braunen Papiertüte. Der Rancher nahm sie ihm aus der Hand, schüttelte sie auf und gab sie Kaylee.
»Halten Sie sich die Tüte vor Mund und Nase und atmen Sie hinein, Miss. Es ist alles in Ordnung. Sie haben nur hyperventiliert.«
Kaylee folgte seinen Anweisungen und beobachtete über den Rand der Tüte hinweg, wie der Mann mit dem Daumen zuerst das eine und dann das andere von Bobbys Augenlidern anhob, um zu prüfen, ob die Pupillen auf das grelle Sonnenlicht reagierten. Anschließend legte er zwei Finger auf Bobbys Halsschlagader, setzte sich auf die Fersen und sah Kaylee an.
»Ich würde sagen, er leidet an starker Unterkühlung, und der Blutverlust durch die Wunde an seinem Kopf hat das seine dazu getan. Außerdem hat er eine Gehirnerschütterung.«
Kaylee ließ die Tüte sinken. »Gibt es hier in der Nähe einen Arzt oder ein Krankenhaus?«
»Na ja, was man in Wyoming so darunter versteht. Ich schlage vor, dass wir ihn erst einmal in Ihr Auto schaffen, und dann sage ich Ihnen, wie Sie fahren müssen.«
»Vielen Dank.« Sie drückte dem Rancher über Bobbys Körper hinweg die Hand. »Vielen, vielen Dank für Ihre Hilfe.«
In diesem Moment öffnete Bobby die Augen und blinzelte, bis sein verschwommener Blick schließlich nach mehreren Versuchen an Kaylees Gesicht hängen blieb. Sie fühlte einen heftigen Stich in ihrem Herzen, als sich sein Mund zu einer Andeutung seines gewohnten charmanten Lächelns verzog.
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