Küssen auf eigene Gefahr
gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte Catherine voller Erleichterung, als sie endlich wieder einigermaßen klar denken konnte. »Sie haben mir das Leben gerettet.« Dann begriff sie erst, was die Frau da eben gesagt hatte. »Das war ein Teenager? Konnten Sie sehen, wer gefahren ist?« Sie selbst hatte es nicht geschafft, einen Blick auf den Fahrer des Wagens zu werfen.
»Nicht richtig, aber wer fährt denn sonst schon wie ein Irrer?«
Sam kam angerannt und blieb vor Catherine stehen. Er packte sie bei den Schultern. »Alles in Ordnung mit Ihnen? Ich habe nur einen Moment in die andere Richtung geschaut, und als ich mich wieder umgedreht habe, raste ein Auto vorbei, und irgendjemand sagte, es hätte Sie beinahe über den Haufen gefahren.« Sie warf sich an seine Brust, und er legte die Arme um sie und drückte sie fest an sich. Er verspürte ein merkwürdiges Ziehen in der Magengrube.
»Diese dummen Teenager«, wiederholte die kleine alte Dame erbost.
Sam sah sie über Catherines Kopf hinweg an. »Haben Sie zufällig das Kennzeichen erkennen können?«
»Nein, es ging alles viel zu schnell.«
»Sie hat mir das Leben gerettet, Sam«, murmelte Catherine an seiner Schulter. »Wenn sie nicht gewesen wäre, könnten Sie jetzt meine traurigen Reste von der Straße aufsammeln.«
»Ich danke Ihnen, Ma'am.«
»Nicht der Rede wert.« Die Frau zuckte die Achseln. »Das hätte doch jeder getan.«
»Vielleicht, aber nicht jeder war da, um es zu tun.« Sam musterte sie etwas genauer. Er stellte fest, dass man sich von ihrem zerbrechlichen Äußeren nicht täuschen lassen durfte, und grinste auf sie hinunter. »Sie müssen stärker sein, als Sie aussehen. Für eine so zierliche Frau scheinen Sie ganz schön zupacken zu können, wenn Sie es fertig bringen, jemanden wie Red so mir nichts, dir nichts von der Fahrbahn zu ziehen.«
Sie hob den Arm und spannte stolz ihren Oberarmmuskel an. »Das Leben auf einer Ranch, fünfzig Jahre Skilanglauf und dreimal in der Woche Fitness-Studio, seit wir die Ranch verkauft haben.«
»Für jedes Einzelne davon danke ich Ihnen von Herzen.« Catherine löste sich aus Sams Armen und wandte sich ihrer Retterin zu. Sie fasste sie bei den Händen. »Haben Sie vielen Dank. Das kann ich niemals wieder gutmachen.«
»Ist auch gar nicht nötig, Herzchen. Ich bin froh, dass ich im richtigen Augenblick zur Stelle war und Ihnen helfen konnte.«
»Alles einsteigen«, rief der Busfahrer.
Während sie die Fahrt fortsetzten, dachte Catherine noch einmal über ihren Beinahe-Unfall nach. Vermutlich hatte ihre Retterin Recht, wenn sie davon ausging, dass es sich bei dem Fahrer um einen Teenager gehandelt hatte, jemanden, der so jung und unerfahren war, dass er in Panik geriet und einfach weiterraste, wenn er merkte, dass er fast jemanden überfahren hätte.
Catherine glaubte jedoch nicht so recht an Zufälle. Und dass sie innerhalb einer Stunde zweimal in Lebensgefahr geschwebt hatte, war eindeutig ein Zufall zu viel.
Sie hatte sich vor der Pause am Aussichtspunkt lange den Kopf darüber zerbrochen und war zu dem Schluss gekommen, dass der Mann, der ihr im Restaurant Zeichen gemacht hatte, Bobby LaBon gewesen sein musste. Zumindest passte Kaylees Beschreibung auf ihn. Die Frage war nur: Entsprach seine Behauptung, dass ihn ihre chaotische Zwillingsschwester geschickt hatte, der Wahrheit, oder gehörte er dem gleichen Mordkommando an wie Jimmy Chains?
In Anbetracht dessen, was anschließend passiert war, schien Letzteres nicht sehr plausibel zu sein. Sie hatte die beiden Männer zusammen gesehen, natürlich, aber eine Verschwörungstheorie ergäbe wesentlich mehr Sinn, wenn dieser Bobby ihr noch gesagt hätte, wo er sie treffen wollte, weil sie dann alles getan hätte, um zu diesem Treffpunkt zu kommen.
Falls Bobby also nicht mit Chains unter einer Decke steckte, sondern Kaylee ihn geschickt hatte, bedeutete das dann, dass ihre Schwester ebenfalls in der Nähe gewesen war? Hatte sie ihr helfen wollen?
Catherine sagte sich, dass sie sich nur selbst etwas vormachte, wenn sie sich derartigen Hoffnungen hingab. Die Schwester, die sie kannte und liebte, hatte sich noch niemals ein Bein ausgerissen, um jemandem aus der Patsche zu helfen.
Dennoch blieb ein Hauch von Hoffnung, der ihr Herz erwärmte.
Es blieb ihr jedoch nicht lange vergönnt, dieses Gefühl zu genießen oder sich auch nur auf ein einziges Gefühl zu konzentrieren. Nacheinander ergriffen die verschiedensten Empfindungen von ihr Besitz
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