Küssen ist die beste Medizin (German Edition)
„Nein!“, schrie sie. „Nein! Lasst sie nicht sterben. Mein Baby. Kalinda!“ Sie schüttelte seine Hände ab und warf sich in die Arme ihres Mannes. „Nicht jetzt. Nicht so.“
Simon blieb bei ihnen stehen, ohne das Ärzteteam bei der Arbeit zu beobachten. Die Geräusche verrieten ihm, was sie taten. Er hörte den Ruf nach einem Medikament, das Summen des Defibrillators. Und er wusste, dass es zu spät war.
Er dachte daran, den Eltern zu sagen, dass es ihm leidtat. Dass so etwas manchmal vorkam. Aber es fiel ihm nicht leicht, er war wütend. Schlimmer noch, er hatte das Gefühl, irgendwieverantwortlich dafür zu sein, als hätte er es schaffen müssen, sie zu retten.
Daher drehte er sich um und ging zu seinem Büro. Ihm war übel und er fühlte sich hilflos. So sollte es nicht sein. Er sollte diese Kinder retten.
Als er um die Ecke bog, blieb er stehen, denn er sah Montana vor seiner Bürotür stehen, die nicht nur geschlossen, sondern auch abgeschlossen war.
Sie trug noch das schwarze Kleid, das sie bei der Cocktailparty getragen hatte, aber sie hielt Cece in den Armen. Der kleine Pudel zitterte, als er Simon entdeckte, und wollte unbedingt zu ihm auf den Arm.
„Ich wusste nicht, was ich sonst tun könnte“, erklärte Montana. „Also habe ich Max angerufen, und er hat mir Cece gebracht. Ich dachte, sie könnte vielleicht helfen.“
„Kalinda hat uns verlassen“, sagte er rundheraus, denn er war überzeugt davon, in der nächsten Minute einen Anruf zu erhalten, der ihm sagte, was geschehen war.
Montanas Augen füllten sich mit Tränen. „Nein. Es ging ihr doch besser. Ich habe sie gestern gesehen. Sie hat gelacht.“
Simon wollte nicht darüber reden und wollte mit niemandem zusammen sein. Schon gar nicht mit jemandem, der behauptete, ihn zu lieben. Er wollte nicht, dass sie hässliche Bilder im Kopf behielt.
„Ich muss weg.“
Er wusste, er sollte etwas anderes sagen, aber er hatte keine Worte. Nur das dringende Bedürfnis, überall zu sein, bloß nicht hier.
Er drehte sich um und ging zur Treppe, öffnete die Tür und rannte nach unten. Als er nach draußen trat, atmete er mehrmals tief durch, aber es half nicht. Nichts konnte ihm helfen.
Ohne darüber nachzudenken, zog er sein Handy heraus und drückte eine Kurzwahlnummer. Sekunden später hörte er eine vertraute Stimme: „Du bist spät auf.“
„Alistair.“Die Stimme seines Freundes wechselte von scherzhaft zu ernst. „Was ist passiert?“
„Ich habe eine Patientin verloren. Ein Kind.“
Alistair fluchte. „Das tut mir leid. Es war nicht deine Schuld.“
„Das kannst du nicht wissen.“
„Doch, das weiß ich. Simon, du bist der Beste.“
Vielleicht, aber heute Abend hatte es nicht gereicht. „Hattest du schon mal den Wunsch …“
„Alles hinzuwerfen?“ Sein Freund machte eine Pause. „Manchmal nimmt es mich mit. Dieser Schmerz, dieses Leiden. Aber irgendwer muss helfen und, ganz ehrlich, wer wäre besser?“
„Hast du dir je auch noch etwas anderes gewünscht? Ein Leben zum Beispiel?“
„Das hatte ich mal.“
Simon zuckte zusammen. Alistairs schöne Frau und sein kleines Mädchen waren vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Einen Monat später hatte er sich Simon in Afrika angeschlossen. Soweit Simon es wusste, war der Mann nie wieder nach London zurückgekehrt.
„Entschuldige“, sagte er. „Das hätte ich nicht fragen dürfen.“
„Es ist lange her.“
„Nicht lange genug.“ Simon wusste, dass er die liebenswürdige Kalinda niemals vergessen würde. Wie mochte es da sein, wenn man sein eigenes Kind verlor? Oder überhaupt erst einmal eins zu haben?
„Du machst weiter“, erklärte Alistair. „Setzt immer schön einen Fuß vor den anderen. Du hast mich mal gefragt, ob es das wert war. Sie zu lieben und zu verlieren. War es das wert, deiner Patientin zu helfen?“
„Selbstverständlich.“
„Dann hast du deine Antwort.“
Montana wischte sich die Tränen aus den Augen. Cece schaute sie in ihren Armen an, als wüsste sie, dass etwas nicht stimmte.
„Sie ist gestorben“, wiederholte sie, obwohl sie wusste, dass die Worte für den kleinen Hund keinen Sinn ergaben. Sie ergaben ja nicht einmal für sie selber einen Sinn. Kalindas Tod erschien ihr unnötig und willkürlich zu sein. Was war schiefgelaufen?
Sie blickte zu der Tür, die zum Treppenhaus führte, und fragte sich, ob sie Simon folgen sollte. Nach ein paar Sekunden schlug sie jedoch die andere Richtung ein. Ihre
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