Kuessen kann schon mal passieren
küsst, dann will man es auch irgendwie. Oder ist zumindest neugierig darauf, wie es wohl sein mag.«
Sie sagte noch mehr Sachen. Dass sie mir ja gleich prophezeit hätte, dass Mädchen und Jungs nicht nur einfach so miteinander befreundet sein könnten, weil einer den anderen immer irgendwie toll finden und es automatisch zu merkwürdigen Küssen auf Rasengrundstücken führen würde. Mitten in ihr Geplapper hinein klingelte es.
»Das ist bestimmt der Teufel, von dem wir gerade gesprochen haben«, zischte Jade.
»Lieber wär mir ein Engel, der mich aus dieser blöden Situation rettet.« Den Hörer untergeklemmt, huschte ich zur Tür und riss sie auf, ohne vorher durch den Spion geguckt zu haben.
Luca. Tatsächlich. Er stand mit tropfnassen Haaren da und starrte mich wie eine Erscheinung an. So als habe er gar nicht damit gerechnet, dass ich, die ja hier wohnte, die Tür öffnen könnte.
»Und? Ist erâs?«, schrie Jade mir ins Ohr.
»Mhm«, murmelte ich.
»Frag ihn, warum er dich geküsst hat.«
»Okay, Mama, dann noch viel Spaà bei der Arbeit«, sagte ich und drückte das Gespräch weg.
»Wegen vorhin«, hob Luca an, doch ich lieà ihn nicht zu Wort kommen.
»Genau deswegen wollte ich auch mit dir reden«, sagte ich. »Aber komm erst mal rein.«
Er strubbelte sich durch seine nassen Haare, dann kam er endlich rein. Polohemdrückfall. Er hatte sogar das rosafarbene an.
»Kinderkaffee?«
»Hasse ich.«
»Weià ich doch.«
Wir gingen rüber in mein Zimmer, wo Luca sich auf meinen drehbaren Schreibtischstuhl rettete und ein paarmal herumwirbelte. Ich wollte ihn schon fragen, was für eine Nummer das hier werden sollte, als er abbremste, schräg an mir vorbei zu Boden guckte und sagte: »Lena, ich hab keine Ahnung, wie das passieren konnte. Echt peinlich.«
Mein Kopf wippte auf und ab. »Ja, ziemlich peinlich.«
»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.«
»Schon okay. Ich hab ja sozusagen mitgemacht. Jetzt ist aus ungeküsst eben geküsst geworden.«
Luca sah auf, grinste. »Hat sich übrigens gar nicht mal schlecht angefühlt.« Hastig setzte er nach: »Auch wenn es ja eigentlich verboten ist. Ich meine, die beste Freundin zu küssen ⦠das ist, als würde man seine Schwester küssen.«
»Oder seinen Bruder«, ergänzte ich.
»Ja, voll schrecklich.«
»Abturnend und widerlich.«
»Geradezu ekelhaft.«
Wir brachen in Gelächter aus.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich, nachdem unser Lachanfall abgeklungen war.
»Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht mehr streiten, oder?«
Ich nickte zustimmend.
»Ich hab jedenfalls überhaupt keine Lust, Stress mit dir zu haben«, sagte Luca.
»Ich doch auch nicht.«
Eine Pause trat ein. Von drauÃen drang Gehämmer zu uns, dann kreischte eine Säge auf.
»Mir tutâs übrigens leid, dass ich so blöd gelacht habe«, sprach Luca weiter. »Das war einfach nur bescheuert.«
»Schon, aber die Sache mit dem Minifurz«, hob ich an, doch Luca legte mir seinen Finger auf die Lippen.
»Das war auch bescheuert, aber jetzt Schwamm drüber, okay?«
»Ja, Schwamm drüber.« Mit einem Mal war ich so verdammt erleichtert, dass ich mich auf mein Bett fallen lieà und wie durchgedreht mit den Beinen zu strampeln begann.
»Soll ich den Notarzt rufen?«, fragte Luca und klappte automatisch seinen Polohemdkragen hoch.
»Du sollst einfach nur deinen Mund halten und den Kragen wieder runtermachen. Ich muss mich bloà mal kurz abregen.«
»Schon hart, so eine idiotische beste Freundin wie dich zu haben.« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Luca den Kragen wieder runterklappte.
»Kinderkaffee?«, fragte ich noch mal und setzte mich ordentlich hin.
»Unbedingt.«
Dann gingen wir in die Küche, ich kochte unser grässliches Gebräu und war heilfroh, dass ich den Minifurz doch nicht für immer verloren hatte.
9.
Als hätte unser Kuss wie ein reinigendes Gewitter gewirkt, war es wieder wie früher. Fast. Denn auch wenn wir taten, als wäre alles ganz normal, blieb ein kleiner Rest Unsicherheit. Vielleicht mussten wir uns auch erst an den Gedanken gewöhnen, dass wir uns geküsst hatten. Diese wenigen Sekunden an Intimität zugelassen zu haben, die sich ganz bestimmt nicht
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