Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Wildkatze.«
Noch lange, nachdem sie den Jeep durch die enge Gasse hatte wegrasen hören, starrte Delaney auf die geschlossene Tür. Ihr Körper brannte noch von Nicks Berührungen, und der Gedanke an eine Art sexuelle Schuldentilgung klang gar nicht so unverlockend. Sie wandte sich wieder zum Raum und hob Nicks Txapela vom Boden auf. Sie vergrub die Nase in der Baskenmütze. Sie roch nach Leder, Wolle und Nick.
DREIZEHN
»Onkel Nick, hast du neulich abends in der Glotze den Film über dieses Mädchen gesehen, das als Kleinkind entführt wurde und erst so mit zwanzig davon erfuhr?«
Nick starrte auf seinen Computerbildschirm und ging noch mal das Budget durch, das er für ein Bauprojekt am Nordufer des Sees veranschlagt hatte. Das Fundament war noch vor dem ersten Frost gegossen worden, das Dach vor dem ersten Schnee gedeckt. Das Haus war fast fertig, doch der Besitzer hatte sich für eine komplett andere Ausstattung entschieden, sodass die Kosten für die abschließenden Schreinerarbeiten weit über dem Budget lagen. Da im Winter nicht mehr so viel los war, arbeiteten Ann Marie und Hilda nur noch vormittags, sodass er mit Sophie allein in der Firma war.
»Onkel Nick!«
»Hm, was?« Er löschte diverse Zahlen und tippte die neuen Kosten ein.
Sophie seufzte Mitleid heischend. »Du hörst mir gar nicht zu.«
Er hob den Blick kurz zu seiner Nichte und senkte ihn wieder auf seine Arbeit. »Klar hör ich dir zu, Sophie.«
»Was hab ich denn gesagt?«
Er schlug noch eine Lagerauffüllungsgebühr drauf und wollte nach dem Taschenrechner am Rand seines Schreibtischs greifen. Doch als er wieder zu seiner Nichte sah, hielt seine Hand inne. Ihre großen, braunen Augen erwiderten seinen Blick, als
hätte er ihre Gefühle mit Füßen getreten. »Ich hab nicht zugehört.« Er zog die Hand zurück. »Tut mir leid.«
»Darf ich dich was fragen?«
Vermutlich war sie nicht nach der Schule vorbeigekommen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. »Klar.«
»Okay, was würdest du tun, wenn du ein Mädchen magst und sie davon keinen Schimmer hat?« Sie fixierte einen Punkt über seinem Scheitel. »Und sie mag jemand anders, mit coolen Klamotten und tollen, blonden Haaren, und alle mögen sie, und sie wäre Cheerleader und so?« Sie sah ihm wieder in die Augen. »Würdest du aufgeben?«
Nick war verwirrt. »Du magst einen Jungen, der sich wie ein Cheerleader anzieht?«
»Nein! Manno, ich mag einen Jungen, der mit einem Cheerleader geht . Sie ist hübsch und beliebt und hat den tollsten Körper in der achten Klasse, und Kyle weiß nicht mal, dass ich existiere. Ich will, dass er mich bemerkt, was soll ich also machen?«
Nick musterte seine Nichte, die nur aus einer glänzenden Zahnspange zu bestehen schien und die italienischen Augen ihrer Mutter geerbt hatte, die für ihr Gesicht viel zu groß waren. Auf ihrer Stirn prangte ein riesiger roter Pickel, der sich trotz aller Bemühungen mit der dicken Schicht Schminke, die sie darauf geklatscht hatte, nicht kaschieren ließ. Eines Tages würden die Männer Sophia Allegrezza scharenweise nachlaufen, aber jetzt noch nicht. Zum Glück. Sie war sowieso noch zu jung, um an Jungs zu denken. »Unternimm gar nichts. Du bist toll, Sophie.«
Sie verdrehte die Augen und griff nach ihrem Rucksack. »Du bist auch keine größere Hilfe als Dad.«
»Was hat Louie denn gesagt?«
»Dass ich zu jung bin, um schon an Jungs zu denken.«
»Aha.« Er beugte sich über den Schreibtisch und nahm ihre Hand. »Tja, das würde ich nie sagen«, log er.
»Ich weiß. Deshalb wollte ich ja auch mit dir reden. Und es ist nicht nur Kyle. Kein Junge beachtet mich.« Sie zog den Rucksack auf ihren Schoß und sackte auf dem Stuhl zusammen wie ein Häufchen Elend. »Ich hasse das.«
Und er hasste es, sie so bedrückt zu sehen. Er hatte Louie dabei geholfen, Sophie großzuziehen, und sie war das einzige weibliche Wesen, dem er vorbehaltlos Liebe und Zuneigung schenken konnte. Mit ihr konnte er einfach nur zusammensitzen und sich einen Film reinziehen oder Monopoly spielen, ohne dass sie ihre Nase ständig in seine Angelegenheiten steckte oder sich zu fest an ihn klammerte. »Was erwartest du denn von mir?«
»Sag mir, was Jungs an Mädchen mögen.«
»Achtklässler?« Er kratzte sich am Kinn und dachte nach. Er wollte sie zwar nicht anlügen, ihr aber auch nicht ihre kindlichen Illusionen rauben.
»Ich dachte, du weißt das, weil du so viele Freundinnen hast.«
»Viele Freundinnen?« Er beobachtete, wie sie ein
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