Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
schwierig konnte das schon sein?
VIERZEHN
Es war ein Albtraum. Nur dass Delaney diesmal eindeutig wach war. Dabei hatte der Abend durchaus schön begonnen. Die Trauungszeremonie war reibungslos verlaufen, Lisa sah wunderschön aus, und das Posieren für die Fotos war kurz und schmerzlos gewesen. Delaney hatte Henrys Cadillac an der Kirche stehen lassen und war mit Lisas Cousine Ali, die einen Friseursalon in Boise besaß, zum Lake Shore Hotel gefahren. Zum ersten Mal seit Langem hatte Delaney mal wieder die Gelegenheit, mit einer Kollegin über Haartrends fachzusimpeln, doch am allerwichtigsten war, dass sie Nick hatte meiden können.
Bis jetzt jedenfalls. Sie hatte zwar über das Hochzeitsessen Bescheid gewusst, aber nicht, dass die Tische zu einem riesigen, offenen Rechteck angeordnet waren, an dem alle Gäste außen saßen und jeder jeden sehen konnte. Und auch nichts von der festgelegten Sitzordnung, sonst hätte sie ihr graviertes Tischkärtchen noch schnell ausgetauscht, um dem Albtraum, den sie durchlebte, zu entrinnen.
Unter dem Tisch streifte etwas Delaneys Fuß, und sie hätte alles darauf verwettet, dass es keine liebestolle Maus war. Hastig zog sie beide Füße unter den Stuhl und starrte auf die Überreste ihres Filet Mignon mit Wildreis und Spargel. Aus unerfindlichen Gründen war sie an der Tischhälfte des Bräutigams gelandet, eingekeilt zwischen Narcisa Hormaechea, die sie eindeutig nicht leiden konnte, und einem Mann, der sich weigerte, weiterhin Luft für sie zu sein. Je mehr Mühe sie sich
gab, Nick zu ignorieren, desto mehr Spaß machte es ihm, sie zu provozieren. Indem er zum Beispiel aus Versehen an ihren Arm stieß, sodass ihr der Reis von der Gabel purzelte.
»Hast du deine Handschellen dabei?«, raunte er ihr ins linke Ohr, als er über sie hinweg nach einer Flasche mit baskischem Rotwein griff und mit dem Revers seines Smokings ihren nackten Arm streifte.
Wie einen erotischen Film in der Endlosschleife sah sie immer wieder seinen heißen Mund auf ihrer nackten Brust vor sich. Sie konnte Nick nicht einmal ansehen, ohne zu erröten wie eine verlegene Jungfrau, aber sie musste ihn auch gar nicht anschauen, um zu wissen, wann er sein Glas Wein an die Lippen führte, mit dem Daumen über den durchsichtigen Stiel strich oder sich seine schwarze Fliege in die Tasche steckte und den schwarzen Kragenknopf am Hals öffnete. Sie musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er sein gebügeltes Baumwollhemd und die Smokingjacke mit der gleichen lässigen Selbstverständlichkeit trug wie T-Shirts und Jeans.
»Verzeihung.« Narcisa berührte Delaney an der Schulter, und sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Frau, deren perfekt aufgetürmte schwarze Haare an den Seiten zwei weiße Strähnen durchzogen. Sie hatte die Augenbrauen zusammengezogen, und eine dicke achteckige Brille vergrößerte ihre braunen Augen derart, dass sie wie Frankensteins kurzsichtige Braut wirkte. »Könnten Sie mir bitte die Butter reichen?«, fragte sie und deutete auf ein Schälchen neben Nicks Messer.
Delaney griff nach der Butter und vermied es sorgfältig, Nick zu berühren. Sie hielt den Atem an und rechnete fest damit, dass er gleich etwas Geschmackloses, Primitives oder Anstößiges sagte. Als er schwieg, wurde sie sofort misstrauisch und fragte sich, was er im Schilde führte.
»Das war eine schöne Hochzeit, finden Sie nicht?«, fragte
Narcisa jemanden weiter unten am Tisch. Sie nahm Delaney die Butterschale ab und ignorierte sie komplett.
Delaney hatte von Benitas Schwester nichts anderes erwartet und richtete den Blick auf Braut und Bräutigam, die von Eltern und Großeltern umgeben waren. Heute früh hatte sie Lisas braune Haare zu einer holländischen Zopfkrone geflochten, ein paar Zweige Schleierkraut hineingesteckt und ein Stück Tüll mit eingeflochten. Lisa sah in ihrem weißen schulterfreien Kleid toll aus, und Louie wirkte in seinem schwarzen Frack sehr elegant. Alle um das Brautpaar herum waren fröhlich, und sogar Benita Allegrezza lächelte. Delaney konnte sich nicht erinnern, die Frau je lachen gesehen zu haben, und war überrascht, wie viel jünger Benita aussah, wenn sie einen nicht hasserfüllt anstarrte. Sophie saß neben ihrem Vater, die Haare zu einem schlichten Pferdeschwanz zusammengebunden. Delaney hätte für ihr Leben gern ihr kräftiges dunkles Haar zurechtgemacht, doch Sophie hatte darauf beharrt, dass ihre Großmutter sie frisierte.
»Wann trittst du denn vor den Altar,
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