Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Weg zu gehen. »Tja, aber setz mich bitte nicht neben Benita. Sie ersticht mich sonst noch mit dem Buttermesser.« Und Nick? Der war so unberechenbar, dass sie keine Ahnung hatte, wozu er fähig wäre.
»So schlimm ist sie gar nicht.«
»Zu dir vielleicht nicht.« Delaney klaubte ihren Mantel auf und ging zur Tür.
»Überleg dir das mit Weihnachten«, rief Lisa hinter ihr her.
»Okay«, versprach sie und fuhr los, doch ihr fiel nicht mal im
Traum ein, Nick gegenüber am Tisch zu sitzen. Was für ein Albtraum! Sie müsste die ganze Zeit aufpassen, sich nicht wieder von ihm hypnotisieren zu lassen, und sich zwingen, ja nicht in seine Augen, auf seinen Mund oder seine Hände zu sehen. Es wäre besser, wenn du am vierten Juni nicht da bist, sonst werde ich bei dir eintreiben, was du mir seit zehn Jahren schuldest .
Sie schuldete ihm überhaupt nichts. Er hatte sie nur benutzt, um sich an Henry zu rächen, und das wussten sie beide. Und wann soll das gewesen sein? Als du mich angefleht hast, dich überall zu berühren? Sie hatte ihn nicht angefleht. Schon eher darum gebeten. Und sie war jung und naiv gewesen.
Delaney stellte ihr Auto neben Nicks Jeep ab und flitzte die Treppe hinauf. Sie war nicht dafür gerüstet, ihm gegenüberzutreten. Immer wenn sie an seinen Mund auf ihrer Brust dachte und an seine Hand zwischen ihren Schenkeln, brannten ihre Wangen. Sie hätte mit ihm Sex gehabt, direkt dort auf der Couch, da machte sie sich nichts vor. Er brauchte sie nur anzuschauen, und schon war es um sie geschehen. Er brauchte sie nur anzufassen, und schon wollte sie jede Faser seines Körpers berühren. Er hatte die Gabe, sie vergessen zu machen, wer er war. Wer sie war und ihre gemeinsame Vergangenheit. Ich hab dir gesagt, dass du dir keine Sorgen machen sollst und dass ich auf dich aufpassen würde, aber du hast mich angesehen wie einen Vergewaltiger und bist mit Henry weggefahren . Aber eigentlich glaubte sie ihm jetzt auch nicht mehr als neulich abends. Er musste einfach lügen. Andererseits: Warum sollte er? Es war ja nicht so, als hätte er ihr gut zureden müssen, damit sie sich auszog. Zu dem Zeitpunkt hatte sie schon so gut wie jedes Schamgefühl verloren.
Sie legte ihr Kleid aufs Sofa und griff nach Nicks Txapela, die noch auf dem Couchtisch lag, wo Delaney sie hatte liegen lassen. Zärtlich fuhr sie mit den Fingerspitzen über das Lederband
und die weiche Wolle. Es war jetzt auch egal. Nichts hatte sich geändert. Jener Abend in Angel Beach war Vergangenheit und sollte ein für allemal aus und vorbei sein. Auch ohne Henrys Testament hätte es für sie beide keine Zukunft gegeben. Er war ein Frauenheld, und sie würde sich so schnell wie möglich wieder absetzen.
Mit der Baskenmütze in der Hand ging Delaney wieder zurück auf den Parkplatz. Nicks Jeep stand immer noch da, und sie öffnete die Fahrertür. Der beigefarbene Ledersitz war noch warm, als wäre er erst kurz vor ihr angekommen. Der Schlüssel steckte in der Zündung, und am Rückspiegel baumelte sein baskisches Kreuz. Ein großer Werkzeugkasten, ein Verlängerungskabel und drei Gläser Holzkitt waren achtlos nach hinten geworfen worden. Offensichtlich lebte er schon zu lange in Truly; aber wenn sie eine Diebin wäre, würde sie sich auch hüten, einen Allegrezza zu bestehlen. Sie legte seine Baskenmütze auf den Ledersitz, machte auf dem Absatz kehrt und eilte zurück in ihre Wohnung. Sie wollte ihm keinen Grund geben, die Treppe zu ihr hinaufzusteigen. Offenbar hatte sie keinerlei Willenskraft, wenn es um ihn ging, und es war einfach das Beste, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Delaney setzte sich auf ihre Couch und versuchte, sich einzureden, dass sie nicht auf etwaige Geräusche von unten horchte. Sie lauschte nicht auf das Klirren von Schlüsseln oder das Knirschen von Kies unter schweren Stiefeln. Sie horchte zwar nicht darauf, hörte aber trotzdem seine Bürotür klappern, seine Schlüssel klimpern und das Schlurfen von Stiefeln. Sie hörte nichts als Stille, als er seine Txapela entdeckte, und stellte sich vor, wie er innehielt und die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufschaute. Die Stille zog sich in die Länge, während sie auf seine Schritte horchte. Schließlich sprang der Motor des Jeeps brummend an, und Nick fuhr langsam vom Parkplatz.
Delaney atmete langsam wieder aus und schloss die Augen. Jetzt musste sie nur noch Lisas Hochzeit durchstehen. Doch bei fünfundsiebzig Gästen konnte sie Nick problemlos ignorieren. Wie
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