Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
Nick?« Die lautstarke Frage kam von weiter unten am Tisch.
Nicks leises Lachen ging im Lärm fast unter. »Ich bin noch zu jung, Josu.«
»Zu stürmisch, meinst du wohl.«
Delaney ließ den Blick über die Festtafel schweifen. Sie hatte Nicks Onkel ewig nicht mehr gesehen. Josu war stämmig wie ein Stier und hatte gerötete Wangen, was zum Teil den Unmengen an Wein zuzuschreiben war, die er wegkippte.
»Du hast einfach noch nicht die Richtige gefunden, aber du findest bestimmt bald ein nettes Baskenmädchen«, prophezeite Narcisa.
»Keine Baskenmädchen, Tía. Ihr seid mir alle zu stur.«
»Du brauchst aber jemanden, der stur ist. Du siehst besser
aus, als dir guttut, und du brauchst eine Frau, die dir auch mal Paroli bietet. Eine, die nicht zu allem Ja und Amen sagt. Du brauchst ein anständiges Mädchen.«
Aus den Augenwinkeln beobachtete Delaney, wie Nicks lange, kräftige Finger über die Leinentischdecke strichen. Als er antwortete, klang seine Stimme weich und sinnlich. »Auch anständige Mädchen sagen eines Tages Ja.«
»Du bist schlimm, Nick Allegrezza. Meine Schwester war zu nachsichtig mit dir, und du hast dich zu einem Wüstling entwickelt. Dein Cousin Skip jagt auch jedem Rock hinterher, vielleicht liegt das in der Familie.« Sie hielt inne und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Und wie steht es mit Ihnen?«
Es wäre wahrscheinlich zu viel erwartet, dass Narcisa jemand anderen meinte. Delaney hob den Blick zu Nicks Tante und sah in ihre vergrößerten Augen. »Mit mir?«
»Sind Sie verheiratet?«
Delaney schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«, fragte sie und musterte Delaney, als stünde die Antwort irgendwo geschrieben. »Attraktiv genug sind Sie ja.«
Delaney hatte die Frage nicht nur total satt, sondern auch langsam die Nase voll davon, behandelt zu werden, als stimmte mit ihr etwas nicht, nur weil sie ledig war. Sie beugte sich vertrauensselig zu Narcisa und raunte: »Ein einziger Mann könnte mich niemals befriedigen. Ich brauche viele.«
»Sie machen Witze!«
Delaney machte ein Pokerface. »Aber erzählen Sie das keinem. Ich hab durchaus meine Ansprüche.«
Narcisa blinzelte zweimal irritiert. »Was?«
Sie hielt ihren Mund noch näher an Narcisas Ohr. »Tja, zum Beispiel muss er noch Zähne haben.«
Die Frau lehnte sich zurück, um Delaney genauer in Augenschein
zu nehmen, und klappte die Kinnlade herunter. »Mein Gott.«
Delaney hob grinsend ihr Glas an die Lippen. Sie hoffte stark, Narcisa vom Thema Heirat abgebracht zu haben.
Nick stieß mit dem Ellbogen an ihren Arm, und ihr Wein schwappte. »Hast du seit Halloween noch mehr Briefe gefunden?«
Delaney ließ ihr Glas sinken und wischte sich einen Weintropfen aus dem Mundwinkel. Sie schüttelte den Kopf und tat ihr Bestes, ihn links liegenzulassen.
»Hast du dir den Scheitel mit einem Blitzstrahl gezogen?«, fragte Nick so laut, dass es alle um sie herum hören mussten.
Vor der Hochzeit hatte sie sich einen Zickzackscheitel gezogen, sich den glatten Pony hinter die Ohren gestrichen und die Haare oben auf dem Kopf toupiert. Jetzt, wo ihr Haar wieder blond war, sah sie mit der bauschigen Frisur aus wie ein Gogo-Girl aus den Sechzigern. Delaney richtete den Blick erst auf sein Hemd, dann auf seinen gebräunten Hals. Auf keinen Fall würde sie sich von seinen Augen hypnotisieren lassen. »Mir gefällt’s.«
»Du hast dir die Haare wieder gefärbt.«
»Ich hab sie zurückgefärbt.« Sie konnte nicht anders, als den Blick über sein Kinn zu seinen Lippen gleiten zu lassen. »Ich bin eine echte Blondine.«
Sein sinnlicher Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Das weiß ich noch, Wildkatze«, murmelte er, nahm seinen Löffel und klopfte damit an den Rand seines Glases. Als es im Raum still wurde, erhob er sich und sah dabei so smart aus wie ein Model aus einer Hochzeitszeitschrift. »Als Trauzeuge meines Bruders ist es meine Pflicht und mir eine große Ehre, einen Toast auf ihn und seine frisch Angetraute auszubringen«, legte er los. »Wenn mein großer Bruder ein Ziel im Auge hat, verfolgt
er es mit unnachgiebiger Entschlossenheit. Als er Lisa Collins kennen lernte, wusste er, dass er sein Leben mit ihr verbringen wollte. Sie wusste es damals noch nicht, aber sie hatte gegen seine Beharrlichkeit keine Chance. Ich beobachtete ihn, wie er mit einer absoluten Sicherheit vorging, die mich verblüfft und zugegebenermaßen neidisch gemacht hat.
Ich habe großen Respekt vor meinem Bruder. Er hat mit einer wunderbaren Frau das
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