Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
ein, warum sie barfuß durch den Schnee laufen sollte: ein Hausbrand, eine Rattenplage und ein Stück Schokokäsekuchen. Henrys Cadillac gehörte nicht dazu.
Nick sprang in den silbernen Wagen und ließ ihn an. Er kratzte einen Teil der Windschutzscheibe frei, und weg war er. Als er eine Stunde später zurückkam, war Delaney vollständig angezogen und erwartete ihn an der Wohnungstür.
»Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht den Sheriff gerufen habe«, schimpfte sie, als er die Treppe zu ihr hinaufstieg.
Er nahm ihre Hand und ließ die Schlüssel hineinfallen. Seine Augen waren auf gleicher Höhe wie ihre, sein Mund nur Zentimeter von ihren Lippen entfernt. »Immer schön langsam.«
Langsam? Ihr Herz raste, und ihr stockte der Atem, während
sie darauf wartete, dass er sie küsste. Er war ihr so nahe … Wenn sie sich nur ein kleines bisschen vorbeugte …
»Fahr langsamer, sonst bringst du dich noch um«, riet er ihr nüchtern, machte auf dem Absatz kehrt und lief die Treppe wieder hinab.
Die Enttäuschung bremste ihr Herzrasen zu einem erschreckend dumpfen Pochen. Sie schaute über das Geländer und sah ihm nach, wie er in seinem Büro verschwand. Dann ging sie zum Cadillac, den er unten geparkt hatte. Sie spähte durch die Fenster auf die Dosen mit Haarspray und Gel, die sie am Abend zuvor achtlos hinten reingeworfen hatte. Keine Beulen, keine Dellen. Das Auto sah aus wie immer – nur dass es jetzt vier Winterreifen mit Spikes hatte, die so funkelnagelneu waren, dass sie glänzten.
Der Montagmorgen ließ sich so langsam an, dass Delaney in aller Ruhe die Lichterketten an das Bäumchen hängen konnte, das sie für den Empfangsbereich gekauft hatte. Obwohl es nur knapp einen Meter hoch war, durchströmte es den Salon mit Kiefernduft. Ab Mittag brummte das Geschäft dann bis Ladenschluss um siebzehn Uhr dreißig. Die Bewertung der Eisskulpturen in Larkspur-Park sollte um achtzehn Uhr beginnen, deshalb beeilte sie sich und zog sich eine Jeans, ihren beigefarbenen Baumwollpulli mit der amerikanischen Flagge darauf und ihre Doc Marten’s an. Doch sie war weniger an den Eisskulpturen interessiert als daran, einen gewissen Basken zu finden, der gestern die Räder an Henrys Wagen gewechselt hatte.
Als sie endlich zum Ausstellungsort kam, war der Parkplatz fast voll und die Bewertung in vollem Gange. Es war schon dunkel, und die Parklaternen warfen ihren Schein auf das Wunderland aus hoch aufragenden kristallenen Figuren. Delaney schlenderte an einer drei Meter hohen Schönen mit ihrem Biest,
einem kräftigen Mountain Man samt Packesel, und an Paff, dem Zauberdrachen, vorbei. Alle Skulpturen waren bis ins allerkleinste Detail herausgearbeitet, sodass sie in der schwarzen Nacht unter den hellen Lichtern gleichsam zum Leben erwachten. Sie schlängelte sich an Dorothy und Toto aus »Der Zauberer von Oz«, einer riesigen Ente und einer Kuh in der Größe eines Minivans vorbei durch die Menschenmenge. Ihre Ohren wurden eiskalt, und sie schob ihre nackten Hände in die Taschen ihres Wollmantels. Den Beitrag von »Allegrezza-Bau«, von Neugierigen und Preisrichtern umringt, fand sie am westlichen Ende des Parks ganz hinten vor. Nick und Louie hatten ein Lebkuchenhaus gemeißelt, mit Weingummi, Zuckerstangen und allen Schikanen. Das Haus war so groß, dass man hindurchgehen konnte, im Moment jedoch mit einem Seil abgesperrt, bis die Preisrichter zu einem Urteil gekommen waren. Delaney sah sich suchend nach Nick um und entdeckte ihn ein Stückchen abseits mit seinem Bruder. Er trug einen schwarzen The-North-Face-Parka mit weißem Futter, eine Jeans und seine Arbeitsstiefel. Neben ihm stand Gail Oliver und hatte sich bei ihm untergehakt. Dieser Anblick machte Delaney furchtbar eifersüchtig, und sie hätte vermutlich die Nerven verloren und wäre einfach weitergegangen, wenn er nicht aufgeschaut und sie fest angesehen hätte.
Sie zwang sich, auf ihn zuzugehen, sprach aber Louie an, weil ihr das leichter fiel. »Ist Lisa hier irgendwo?«
»Die ist mit Sophie zur Toilette gegangen«, antwortete Louie, dessen braune Augen von Delaney zu Nick schauten und dann wieder zurück. »Bleib nur hier, sie ist gleich wieder da.«
»Eigentlich wollte ich ja mit Nick sprechen.« Sie wandte sich um und sah zu dem Mann auf, der für ihr Gefühlschaos verantwortlich war. Sie schaute ihm ins Gesicht, und da wusste sie, dass sie sich bis über beide Ohren in den Jungen verliebt
hatte, der sie schon früher zugleich fasziniert
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