Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
und gequält hatte. Sie waren zwar jetzt erwachsen, aber es hatte sich nichts geändert. Nur, dass er neue und bessere Methoden gefunden hatte, sie zu quälen. »Hast du einen Moment Zeit? Ich muss mit dir reden.«
Wortlos machte er sich von Gail los und ging auf sie zu. »Was gibt’s, Wildkatze?«
Sie warf einen Blick auf die Umstehenden und schaute ihm ins Gesicht. Seine Wangen waren vor Kälte gerötet, und sie konnte in der Dunkelheit seinen weißen Atem sehen. »Ich wollte mich für die Winterreifen bedanken. Ich hab heute nach dir Ausschau gehalten, aber du bist nicht ins Büro gekommen. Deshalb dachte ich, ich finde dich vielleicht hier.« Verlegen schaukelte sie auf die Fersen und schaute auf ihre Stiefelspitzen. »Warum hast du das gemacht?«
»Was denn?«
»Winterreifen auf Henrys Wagen ziehen lassen. Mir hat noch nie ein Mann Reifen geschenkt.« Sie kicherte nervös. »Das war echt nett von dir.«
»Ich bin auch ein echt netter Kerl.«
Sie grinste schief. »Bist du nicht.« Sie schüttelte den Kopf und sah ihm wieder in die Augen. »Du bist meist unverschämt und anmaßend.«
Sein Lächeln brachte seine weißen Zähne und die Lachfältchen um seine Augen zur Geltung. »Und was bin ich, wenn ich nicht unverschämt und anmaßend bin?«
Sie legte ihre kalten Hände aneinander und pustete hinein. »Selbstgefällig.«
»Und was noch?« Er nahm ihre Hände in seine und wärmte sie.
Aus den Augenwinkeln sah sie Gail auf sie zukommen. »Und ich muss feststellen, dass ich einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt
habe.« Sie entzog ihm ihre Hände und schob sie wieder in die Manteltasche. »Ich spreche ein andermal mit dir, wenn du nicht beschäftigt bist.«
»Ich bin nicht beschäftigt«, verkündete er genau in dem Moment, als Gail neben ihm stehen blieb.
»Hallo, Delaney.«
»Gail.«
»Ich hab’s am Samstagabend nicht mehr zur Modenschau geschafft.« Sie lächelte Nick viel sagend an. »Ich hatte was anderes vor, aber ich hab gehört, du hast das mit den Frisuren dieses Jahr super gemacht.«
»Ich glaube, alle hatten ihren Spaß.« Delaney wich einen Schritt zurück. Die Eifersucht stach wie ein scharfes Messer in ihren Bauch, und sie musste weg von Nick und Gail und dem Anblick ihres trauten Glücks. »Wir sehen uns.«
»Wohin gehst du?«, fragte er.
»Ich muss mal nach Duke und Dolores sehen«, antwortete sie und klang sogar in ihren eigenen Ohren bedauernswert. »Und danach treffe ich mich mit Freunden«, log sie, um ihren Stolz zu wahren, winkte kurz und wandte sich zum Gehen.
Mit drei langen Schritten holte Nick sie ein. »Ich bring dich zum Wagen.«
»Nicht nötig.« Sie sah zu ihm auf und warf einen Blick über die Schulter zu Gail, die ihnen wütend nachstarrte. »Du verärgerst deine Begleiterin.«
»Gail ist nicht meine Begleiterin, und ihretwegen brauchst du dir keinen Kopf zu machen.« Er nahm Delaneys Hand in seine und schob sie in seine Parkatasche. »Warum musst du nach Henrys Hunden sehen?«
Sie liefen an einem Geist aus Eis vorbei, der auf seiner Lampe hockte. Sie wusste nicht, ob sie ihm das mit Gail abnehmen sollte, beschloss jedoch, dass Thema vorerst fallenzulassen.
»Meine Mutter ist mit Max Morrison verreist.« Er verschlang seine Finger mit ihren, und ein heißes Kribbeln breitete sich bis zu ihrem Handgelenk aus. »Sie wollen Weihnachten auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen.«
Nick ging langsamer, als sie um eine Menschentraube herumliefen, die sich vor dem Geist versammelt hatte. »Und dein Weihnachten?«
Das Kribbeln stieg bis zum Ellenbogen und weiter am Arm hinauf. »Wenn sie wieder da ist, feiern wir nach. Das ist keine große Sache. Ich bin dran gewöhnt, über die Feiertage allein zu sein. Ich hatte sowieso keine richtigen Weihnachten mehr, seit ich von hier weggegangen bin.«
Er schwieg, während sie aus dem Licht der Parklaterne durch ein Stückchen Dunkelheit schlenderten. »Klingt einsam.«
»Eigentlich nicht. Normalerweise hab ich jemanden gefunden, der sich meiner erbarmt hat. Und außerdem war es immer meine Entscheidung wegzubleiben. Ich hätte ja zurückkommen und mich entschuldigen können, weil ich so eine Enttäuschung war, und mich als die Tochter geben können, die sich meine Eltern wünschten. Aber ein paar mickrige Geschenke und ein Julblock hätten meinen Stolz und meine Freiheit nicht aufgewogen.« Sie zuckte mit den Achseln und wechselte bewusst das Thema. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Welche denn?«
»Die Reifen.
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