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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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zu hören. Kurz darauf öffnete sich
die Verbindungstür, und zwei munter in einen Schwatz vertiefte Männer mit Akten
unter den Armen verließen das Büro des Landrats. Es schien kein besonders
wichtiger Besuch gewesen zu sein, denn die Herren waren leger mit
Freizeitkleidung ausstaffiert und bewegten sich, als wären sie in der
Kreisverwaltung zu Hause. Bevor der zweite die Tür wieder schließen konnte, war
Lüder aufgesprungen und in das Zimmer des Landrats getreten.
    »Guten Morgen«,
grüßte Lüder den behäbig wirkenden Mittfünfziger mit den grauen Schläfen, der
an seinem Schreibtisch stand und einen Papierstapel ordnete.
    Überrascht sah der
Landrat auf und warf Lüder einen fragenden Blick zu, indem er die rechte
Augenbraue in die Höhe zog.
    »Haben wir einen
Termin?«
    »Ja«, erwiderte
Lüder und schloss die Tür hinter sich. Er bemerkte, dass die Assistentin des
Verwaltungsleiters noch versucht hatte, ihm zu folgen, aber nun von außen gegen
die Tür stieß. Lüder stellte sich vor und zeigte unaufgefordert seinen
Dienstausweis.
    Henrik Graf von
Halenberg bot ihm Platz an.
    »Was geht derzeit im
Landkreis Schleswig-Flensburg vor?«, eröffnete Lüder das Gespräch. Er wartete
einen Moment und beobachtete dabei sein Gegenüber. Der Landrat wusste mit
Lüders Frage nichts anzufangen.
    »Was meinen Sie
damit?«, fragte von Halenberg.
    »Einem
Kreistagsabgeordneten wird eine Briefbombe ins Haus geschickt. Und gestern
wurden die Kinder Ihres engsten Mitarbeiters entführt. Wir können davon
ausgehen, dass im letzteren Fall finanzielle Forderungen nicht das Tatmotiv
ist. Die Familie Joost ist kaum als vermögend einzustufen.«
    Der Landrat setzte
eine bekümmerte Miene auf. »Das hat uns alle tief getroffen … Ich meine, das
Kidnapping der Joost-Kinder. Wer tut so etwas? Zumal es vordergründig wirklich
keinen Grund zu geben scheint. Haben sich die Täter schon gemeldet?«
    Lüder ließ die Frage
unbeantwortet. Im Unterschied zu anderen Bundesländern hatte sich
Schleswig-Holstein für einen nach Lüders Ansicht besseren Weg entschieden und
die Führung der Polizei in professionelle Hände gelegt und nicht die gewählten
Landräte mit der Leitung der Polizei betraut. Landrat war ein politisches
Wahlamt, und es setzte deshalb nicht voraus, dass die demokratisch bestimmten
Kandidaten auch etwas von Polizei- und Katastrophenmanagement verstanden. Lüder
erinnerte sich an die Versäumnisse der Verantwortlichen in
Mecklenburg-Vorpommern beim Ausbruch der Vogelgrippe.
    »Wenn ich oder mein
Amt etwas unternehmen können, dann lassen Sie es mich wissen. Wir wollen alles
tun, damit die Kinder wohlbehalten zu ihren Eltern zurückkehren.« Von Halenberg
unterbrach seine Ausführungen, um tief zu schlucken. »Fast alle hier haben
selbst Kinder, und wir können uns vorstellen, wie der Familie jetzt zumute ist.
Schlimm!« Der Landrat sah einen Moment stumm auf seine Schreibtischplatte.
»Besonders, wenn man die Betroffenen direkt kennt.«
    »Welche Funktion übt
Herr Joost in der Kreisverwaltung aus?«
    Der Landrat
überlegte eine Weile. »Er ist mein Referent und erarbeitet Vorlagen, führt
Korrespondenz, organisiert dies und das.«
    »Kann ich davon
ausgehen, dass Joost in alle vertraulichen Dinge eingeweiht ist, die Sie
derzeit beschäftigen?«
    »Fast. Herr Joost
ist Beamter. In dieser Eigenschaft kennt er alle Vorgänge, die aus Sicht der
Verwaltung von Bedeutung sind.«
    »Ich vernehme bei
Ihrer Antwort Zwischentöne.«
    »Ja«, antwortete von
Halenberg gedehnt. »Mein Amt ist auch ein politisches. Da gibt es Entwicklungen
und Strömungen, die in der Diskussionsphase und noch nicht reif für die
Administration sind. Diese muss man vom Amt des Verwaltungschefs trennen. Da
kann es vorkommen, dass manche Ideen noch nicht bis zu meinem Büro vorgedrungen
sind.«
    »Welche bedeutsamen
Dinge werden hinter den Kulissen bewegt, dass man einen Anschlag auf einen
harmlosen Kreistagsabgeordneten ausübt?«
    Der Landrat wich
Lüders Blick aus.
    »Ich verstehe Sie
nicht«, antwortete er. »Wir sind ein ländlich geprägter Kreis, fernab der
Zentren. Abgesehen von wirtschaftlichen Problemen in Zeiten knapper Kassen gibt
es bei uns nichts, was außergewöhnlich wäre. Wir haben keine
Auseinandersetzungen mit den politischen Extremen, es gibt keine Gewalt oder
Kriminalität. Weder für die Mafia noch andere kriminelle Gruppen dürfte unsere
Region interessant sein. Und die in einer Demokratie vorhandene
Meinungsverschiedenheit

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