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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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gerissen.
    »Haben Sie mich
gehört?«, fragte Frauke Dobermann.
    »Wir hatten eine
Störung in der Leitung«, log Lüder. »Können Sie bitte noch einmal wiederholen?«
    »Ich sagte, dass die
Durchsuchung von Senkbiels Wohnung nichts gebracht hat. Die Wohnung war
klinisch rein. Die Kollegen von der Spurensicherung haben nichts gefunden. Auch
der Einsatz des Sprengstoffspürhundes war negativ.«
    »Finden Sie nicht,
dass es merkwürdig ist, wenn jemand seine Wohnung akribisch säubert, bevor er
sich plötzlich und unerwartet bei einem Unfall die Kniescheibe bricht?«
    »Soweit wir wissen,
hat Senkbiel sich die Fraktur bei Renovierungsarbeiten in seiner Wohnung
zugezogen.«
    »Und nach seinem
Unfall alles weggeräumt und sauber gemacht, bevor er den Rettungsdienst
alarmiert hat?«
    »Über diesen Punkt
bin ich auch gestolpert«, gestand die Hauptkommissarin ein. »Aber für eine
weitere Verfolgung ist dieser Ansatz dürftig. Haben Sie weitere Fakten?«
    »Leider nicht.
Natürlich bin ich über das Ergebnis der Spurensicherung enttäuscht. Trotzdem
habe ich ein Bauchgefühl, dass Senkbiel in der Sache mit drinsteckt.«
    Lüder hörte Frauke
Dobermanns gurrendes Lachen. »Männer und ihr Bauchgefühl. Das hängt manchmal
ziemlich tief.«
    »Wo siedeln Sie den
Bauch an?«
    Sie zögerte einen
Moment, bevor sie antwortete. »Bei manchen Männern ist der Bauch so gewaltig,
dass sich die Unterschiede verwischen. Und das Bauchgefühl kommt bei vielen
Nachfolgern Adams eher aus dem Blinddarm.«
    »Aus dem Appendix?«,
fragte Lüder.
    »Na, häufig ist das ,
was ich meine, doch nichts weiter als ein Wurmfortsatz. Der steuert oft die Gefühlswelt
der Männer.«
    »Können wir etwas
seriöser miteinander sprechen?«, fragte Lüder.
    Erneut lachte sie.
»So etwas fragen ausgerechnet Sie? Bringen Sie lieber Ihren eigenen Laden in
Ordnung. Ich habe gehört, dass der Kieler Staatsanwalt gegen Sie querschießt.«
    »Ich habe Erfahrung
im Umgang mit Heckenschützen. Können Sie mich bitte im Entführungsfall auf dem
Laufenden halten?«
    Sie sicherte es
Lüder zu.
    Trotz der Bedenken,
die Frauke Dobermann vorgebracht hatte, fuhr Lüder nach Rendsburg. Er wollte
noch einmal mit Senkbiel sprechen. Es ließ ihm keine Ruhe, dass eine Reihe von
Hinweisen zum ehemaligen Bombenbastler führten.
    Ohne dass ihn jemand
nach dem Grund seines Besuches fragte, konnte er direkt bis in das
Krankenzimmer gehen, in dem Senkbiel lag. Unter diesen Umständen war es
erstaunlich, dass die Diebstahlquote im Krankenhaus so relativ gering war, wenn
jeder unbefugte Fremde Zugang zu den Patientenzimmern hatte.
    Als Lüder den Raum
betrat, richtete sich der kurdische Patient am Fenster halbwegs auf. »Deutsches
Arschloch ist weg«, erklärte er unmissverständlich. »Kerl hat Angst gehabt,
weil ich wollte ihm eine hauen in die Fresse.«
    »Ist er entlassen
worden?«, fragte Lüder.
    Der Mann mit den
dunklen Augen und dem zerfurchten Gesicht sah Lüder finster an. »Bin ich
Auskunft von Krankenhaus, hä?«
    Lüder hatte einen
Moment ein schlechtes Gewissen, weil er Senkbiel in Gegenwart der anderen
Patienten hart angefasst hatte. Doch nur so hatte er den Mann aus der Reserve
locken können.
    »Warum wollten Sie
Ihren Bettnachbarn tätlich angreifen?«, fragte Lüder.
    »Weil er ein
Arschloch ist. Wie alle Deutschen«, schob der Kurde nach.
    »Vorsicht, mein
Freund, ich bin auch von hier«, antwortete Lüder in einer schärferen Tonlage.
    Der Kurde blieb
unbeeindruckt. »Na und?«
    Es machte keinen
Sinn, mit dem Mann eine grundsätzliche Diskussion über hier gebräuchliche
Umgangsformen zu führen. Deshalb drehte sich Lüder um, nicht ohne vorher dem
unfreundlichen Zeitgenossen wortlos den Stinkefinger zu zeigen. Er war sich
bewusst, dass er mit dieser Geste mehr bewirkt hatte als mit jeder langatmigen
verbalen Auseinandersetzung. Prompt setzte in seinem Rücken eine
deutsch-türkische Schimpfkanonade ein, der er aber keine weitere Beachtung
beimaß.
    Die Tür zum
Schwesternzimmer stand offen, aber es war niemand vom Personal zu sehen. Lüder
ging den Flur auf und ab. Es dauerte eine Ewigkeit, bis eine dunkelhaarige
junge Frau in Schwesterntracht auftauchte. Sie nickte ihm im Vorbeigehen
freundlich zu.
    »Können Sie mir
sagen, wo Herr Senkbiel abgeblieben ist?«, fragte er und eilte der jungen
Schwester hinterher.
    Sie antwortete mit
einem osteuropäischen Akzent in der Stimme. »Der ist heute Morgen entlassen
worden.«
    »Entlassen?«, fragte
Lüder ungläubig.

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