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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Heide an die Westküste.
    Die schmucke Kleinstadt zeigte sich von ihrer besten
Seite. Schon von Weitem war der Turm der St.-Johannis-Kirche zu sehen, die
Meldorfer Dom genannt wurde, obwohl sie zu keiner Zeit Bischofssitz war. Lüder
bog von der Bundesstraße ab und schlängelte sich über das Kopfsteinpflaster bis
zum Parkplatz am Fuße der spätgotischen Backsteinbasilika, die unübersehbar der
Mittelpunkt des historischen Stadtkerns war.
    Direkt am Dom lag auch das Gebäude der
Polizeizentralstation. Obwohl ein blau-silberner Variant vor der Tür stand,
verkündete ein Schild in der Tür, dass die Dienststelle im Augenblick nicht
besetzt sei.
    Lüder umrundete die Kirche und überquerte den
Marktplatz, dessen Rand von hübschen Giebelhäusern gesäumt wurde. Er steuerte
an der alten Wasserpumpe vorbei eine Buchhandlung an, die mit einer
einfallsreichen Dekoration vor der Ecktür Interessenten anlockte. Die Dame am
Tresen gab ihm bereitwillig Auskunft, wo er das Notariat Windgraf finden würde.
    Die Kanzlei befand sich in einem repräsentativen
Gebäude in der Burgstraße, wenige Schritte vom Herzen der Stadt entfernt. Das
weiß getünchte Bürgerhaus mit den grünen Fenstern machte einen gepflegten
Eindruck. Eine ordnende Hand hatte ein passendes Blumenarrangement an der
Vorderfront geschaffen, das hervorragend mit dem rustikalen Kopfsteinpflaster,
dem Baum und der gediegenen Bogenlampe harmonierte.
    Ein blank geputztes Messingschild zeigte an, dass Dr.
Heinrich Windgraf, Rechtsanwalt und Notar a.D., und Frau Dr. Anneliese
Windgraf, ebenfalls Anwältin und Notarin, hier ihre Kanzlei betrieben.
    Klingelknopf und Türbeschläge waren ebenfalls aus
Messing. Als Lüder den Knopf betätigte, war kein Ton zu hören, aber kurz darauf
erklang eine warme Frauenstimme: »Ja, bitte?«
    »Ich möchte zu Herrn oder Frau Dr. Windgraf.«
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Lüders.«
    »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein, aber es geht um den Junior.«
    »Einen Moment bitte.«
    Es dauerte zwei Minuten, bis der Summer ertönte.
    Er drückte die schwere hölzerne Tür auf und stand in
einer mit Fliesen ausgelegten Halle. Eine Frau in einem bunt kariertem Rock und
einem beigefarbenen Pullover, über dem eine wuchtige Bernsteinkette baumelte,
empfing ihn.
    Sie bat ihn, ihr zu folgen, und führte ihn in das
Arbeitszimmer des Seniors.
    Die hohe Stuckdecke, die Wände mit Regalen voll
juristischer Fachbücher und Gesetzestexte, der tiefe Teppich und der wuchtige
Schreibtisch aus dunklem Eichenholz waren schon beeindruckend genug. Durch die
großen Fenster fiel wie inszeniert ein Lichtstrahl und traf auf Dr. Heinrich
Windgraf.
    Der hochgewachsene Mann mit der hageren Gestalt, dem
sorgfältig gekämmten schlohweißen Haar und den dichten Augenbrauen sah ihn aus
dunklen Augen an. Er verzog keine Miene seines schmalen, von Falten
durchzogenen Gesichts.
    »Windgraf«, stellte er sich vor und gab Lüder seine
gepflegte Hand.
    Lüder nannte seinen Namen.
    »Ich komme vom LKA aus Kiel. Es gibt keinen Anlass, zu erschrecken. Ich bin lediglich beauftragt,
nach dem Aufenthaltsort Ihres Sohnes zu fragen.«
    Der alte Rechtsanwalt zeigte keine Regung. »Haben Sie
einen triftigen Grund?«
    »Das Ministerium möchte mit dem Staatssekretär
sprechen. Wir leisten lediglich Amthilfe, weil Ihr Sohn auf den bekannten
Kommunikationswegen nicht erreichbar ist.«
    Dr. Windgraf sah Lüder an, ohne dass sich ein Muskel
in seinem Gesicht regte. Er antwortete nicht.
    »Ihr Sohn wohnt mit Ihnen unter einem Dach?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, wo er sich momentan aufhält?«
    »Ja.«
    »Ist er hier, in Meldorf?«
    »Nein. Woanders.«
    »Wo ist das?«
    »Wenn er es nicht preisgegeben hat, so sehe ich keine Veranlassung, es Ihnen zu sagen.«
    Lüder musste innerlich schmunzeln. Die Dithmarscher
galten als der wortkargste Volksstamm Deutschlands. Ihm saß offenbar ein
typischer Vertreter gegenüber.
    »Sie kennen den Grund, weshalb Ihr Sohn zurückgetreten
ist?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie etwas über die Einzelheiten?«
    » Ich bin, wie die Generationen vor mir, der
Rechtspflege in Dithmarschen verpflichtet. Mein Sohn hat wertvolle Erfahrungen
in der Politik gesammelt. Ich gehe davon aus, dass er die Familientradition
fortsetzt und unsere Kanzlei übernimmt. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
    Verglichen mit seiner zuvor zur Schau gestellten
Wortkargheit war das ein enorm langes Statement.
    »Haben Sie sonstige Informationen, die mir
weiterhelfen könnten?«
    »Nein.«
    »Dann habe ich

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