Küstenfilz
war und wie viele noch folgen würden.
In Detektivromanen pumpten die Helden unentwegt Koffein und Alkohol in sich
hinein, ohne von der Wirkung dieser Drogen beeinträchtigt zu werden. Lüder
spürte, wie der Kaffee langsam seinen Magen in Mitleidenschaft zog. Das ist für
heute der letzte, beschloss er, und zu Hause gönnst du dir ein kühles Bier im
Kreise der Familie. Aber bis dahin steht dir noch ein ganzer Tag bevor.
In der Mail fand er
zwei Benachrichtigungen. Nathusius bat um seinen Besuch, und Dr. Diether, der
Pathologe, wollte zurückgerufen werden. Lüder beschloss, sich zuerst an den
Gerichtsmediziner zu wenden.
Das der
Christian-Albrechts-Universität angeschlossene Institut für Rechtsmedizin
befand sich in einem unscheinbaren Gebäude in der Arnold-Heller-Straße. Dem
Oberarzt, Privatdozent Dr. Karl-Heinz Diether, war Lüder früher schon einmal
begegnet.
Der Pathologe
begrüßte ihn freundlich. Wegen seines gutmütig wirkenden Äußeren und des
ruhigen Auftretens hätte ein Außenstehender bei einer zufälligen Begegnung
nicht den erfahrenen Wissenschaftler vermutet, schon gar nicht den
Rechtsmediziner.
»Es geht um den
Toten, der in Schleswig verbrannt ist. Leider kann ich Ihnen noch nicht viel
sagen, weil weitere Analysen ausstehen, insbesondere wollen wir noch eine
biochemische Altersbestimmung auf der Basis der Razemisierung von
Asparaginsäure durchführen. Bei Leichen, die so zugerichtet sind wie in diesem
Fall, gestaltet sich das oftmals etwas schwieriger. Ich gehe davon aus, dass es
sich um einen Mann gehandelt hat. Er war nicht sonderlich groß. Ich schätze,
ungefähr einen Meter siebzig. Mit leichten Abweichungen in beide Richtungen.
Auch die ethnische Herkunft haben wir noch nicht identifizieren können. Dafür
gibt es aber etwas anderes, was ich Ihnen unbedingt zeigen wollte.«
Dr. Diether griff
eine Petrischale, die auf einem Sideboard hinter seinem Schreibtisch stand. Als
er sie vor Lüder stellte, klirrte es leise.
»Hier«, sagte der
Arzt.
In dem Gefäß lag ein
kleines Stück Metall, vielleicht vier Quadratzentimeter groß. Es war
silberfarben, wirkte aber eher stumpf. Die Form war eigenartig. Es war keine
Platte, sondern ein wenig gebogen und erinnerte Lüder an eine Art Obstschale im
Miniaturformat, auf deren Außenseite Riefen eingefräst waren.
»Was ist das?«,
fragte Lüder.
»Titan. Bei höheren
Temperaturen versprödet es sehr schnell durch Aufnahme von Sauerstoff,
Stickstoff und Wasserstoff. Wir haben Glück gehabt, dass wir es noch gefunden
haben. Das lag vermutlich daran, dass der Tote halb vor dem Auto hockte und das
Knie nicht direkt dem Feuer ausgesetzt war.«
»Und wo haben Sie es
gefunden?«
Dr. Diether lehnte
sich zurück und strich sich fast behaglich über seinen Bauch.
»Es ist ein
Ersatzteil, das man dem Toten eingepflanzt hatte.« Der Arzt machte es spannend.
Aber Lüder wusste,
wo. »Wenn Sie mir jetzt bestätigen, dass es sich um eine Kniescheibe handelt,
bin ich sehr zufrieden.«
Der Mediziner schien
ein wenig enttäuscht. »In der Tat. Es ist ein künstliches Kniegelenk. Der Mann
muss einen Unfall gehabt haben, bei dem seine eigene Kniescheibe zertrümmert
worden ist. Dann hat man ihm eine künstliche eingesetzt.«
»Das haben Ihre
Kollegen in Rendsburg gemacht«, erwiderte Lüder. »Dank Ihrer Gründlichkeit,
Herr Dr. Diether, kenne ich jetzt auch die Identität des Opfers. Der Mann hieß
Harry Senkbiel.«
Sie tauschten noch
ein paar Freundlichkeiten aus. Dann verabschiedete sich Lüder.
»Vielen Dank. Sie
haben uns – wieder einmal – sehr geholfen. Ich werde Sie weiterempfehlen.«
Dr. Diether lachte.
»Es gibt viele Dienstleistungen, die wir hier im Institut verrichten. Ich
fürchte, die forensische Obduktion ist aber die letzte, die potenzielle Kunden
als Empfehlung gern annehmen.«
Als Lüder ins
Polizeizentrum Eichhof zurückkehrte, suchte er direkt Nathusius auf. Er hatte
Glück. Der Kriminaldirektor war in seinem Büro.
»Ich habe zwei
Informationen für Sie. Die unerfreuliche lautet, dass Oberstaatsanwalt
Brechmann in Erwägung zieht, ein Disziplinarverfahren gegen Sie anzustrengen,
da er mit Ihrer Vorgehensweise bei der Durchsuchung von Senkbiels Wohnung in
Rendsburg nicht einverstanden ist. Sein wahres Motiv ist wahrscheinlich, dass
er sich übergangen fühlt, weil Sie sich den Beschluss nach seiner Ablehnung
über die Flensburger Staatsanwaltschaft besorgt haben.«
Seitdem Brechmann
die Nachfolge des ermordeten
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