Küstenfilz
nach einem Platz suchenden Autofahrer vor ihm. Mit schnellen
Schritten eilte er über den Capitolplatz zur Fußgängerzone. Als er um die Ecke
bog, sah er schon von Weitem Manthling an einem der Tische vor dem Café sitzen.
Lüder atmete tief
durch. Er hatte es noch rechtzeitig geschafft, vor dem Treffen des Beamten der
Kreisverwaltung mit dem Unbekannten hier zu sein.
Zwei Tische neben
Manthling saß ein junger Mann mit sportlich geöffnetem Hemdkragen. Die
Sonnenbrille hatte er in die Haare hochgeschoben. Ohne Manthling eines Blickes
zu würdigen, sah er den vorbeiflanierenden Passanten nach und schenkte seine
besondere Aufmerksamkeit den jüngeren Fußgängerinnen.
Ein anderer leger
gekleideter Mann – er mochte Anfang dreißig sein – stöberte angeregt in den
Angebotskörben der benachbarten Buchhandlung und warf alle paar Augenblicke
einen Blick auf den Zeiger der großen Normaluhr, die an dieser Stelle den
»Stadtweg« bereicherte.
Aha, dachte Lüder.
So sieht es also aus, wenn die Kripo Beschattungen vornimmt. Ob es auf andere
auch so wirkt wie auf mich?
Aus Manthlings
Beschreibung wusste Lüder, mit wem sich der bestochene Beamte hier treffen
wollte. Da der Mann Lüder auch kannte, hielt er sich im Hintergrund. Sie wurden
auf eine Geduldsprobe gestellt, denn erst nach einer halben Stunde tauchte der
Mann auf. Er kam aus der entgegengesetzten Richtung, schlenderte langsam am
Café vorbei und schenkte Manthling und den anderen Gästen keine Beachtung. Dann
blieb er vor der Buchhandlung stehen, direkt neben dem zweiten Kripobeamten.
Lüder stockte der Atem.
Er wusste nicht, ob
es Instinkt oder Berufserfahrung war. Der dort wartende Kollege sah den Mann
an, nickte ihm freundlich zu, schnappte sich eines der Sonderangebote und
verschwand damit im Laden.
Jetzt drehte sich
der Mann um, ging gemächlich zum Café zurück, tat, als würde er einen freien
Platz suchen, und ließ sich direkt neben Manthling nieder. Der begann den
Fehler und fiel gleich über ihn her, zog ein Blatt Papier aus seiner Tasche und
wedelte damit herum, ohne es aber zu übergeben.
Lüder war unbemerkt
von hinten an die beiden herangetreten.
»Guten Abend, Herr
Kwiatkowski«, begrüßte er den Privatdetektiv, der mit dem rätselhaften
Wirtschaftsanwalt aus Düsseldorf zusammenarbeitete.
Kwiatkowski sah
überrascht über die Schulter.
»Guten Abend, Herr
ähh …«, erwiderte er, weil er Lüders Namen immer noch nicht kannte.
»Das ist aber eine
Überraschung«, sagte Lüder. »Sind Sie geschäftlich hier?«
»Ein Bekannter.«
Kwiatkowski neigte
den Kopf leicht in Manthlings Richtung.
»Der spannende Dinge
von Ihnen zu berichten wusste«, ergänzte Lüder.
Der Privatdetektiv
sah Lüder an. Dann schob er seinen Stuhl zurück, stand auf und sagte leichthin:»Ich glaube, ich habe noch etwas zu erledigen.«
Lüder war auch
aufgestanden. Kommissar Holtgrebe folgte dem Beispiel. Als sich jetzt auch noch
der zweite Schleswiger Kripobeamte näherte, resignierte Kwiatkowski,
insbesondere als Manthling aufgeregt sagte: »Die sind von der Polizei.«
Ohne Widerstand
folgten Kwiatkowski und Manthling den beiden Polizisten zur Dienststelle. Die
ganze Aktion war so mustergültig abgelaufen, dass kein Passant etwas davon
mitbekommen hatte. Lediglich die Bedienung des Cafés schien ein wenig
verwundert, als plötzlich eine Gruppe von Gästen aufbrach.
Während Willi
Kwiatkowski die Prozedur der Aufnahme seiner Personalien durchlief, rief Lüder
zu Hause an. Natürlich war Jonas als Erster am Apparat.
»Wo bist du?«,
fragte er in seiner hastigen Sprechweise. Der Junge war ein unbremsbares
Energiebündel und erledigte stets mehrere Dinge gleichzeitig. Man konnte den
Eindruck gewinnen, dass Jonas innerhalb eines Tages das Pensum von
achtundvierzig Stunden abspulte.
»Ich habe noch zu
tun.«
»Wo?«, fiel ihm
Jonas ins Wort.
»An der Schlei.«
»Segelst du?«
Lüder lachte. »Nein,
dann hätte ich dich bestimmt mitgenommen. Ist Mutti zu sprechen?«
Statt einer Antwort
hörte Lüder einen markerschütternden Schrei. Das war Jonas’ Art, eine Nachricht
im Hause zirkulieren zu lassen. Dann polterte es. Für Jonas war das Telefon
erledigt. Er hatte pflichtgemäß Lüders Bitte weitergegeben. Alles Weitere
entzog sich seiner Zuständigkeit.
Es dauerte eine
Weile, bis sich Viveka meldete. »Jonas, der Blödmann«, schimpfte sie. »Wirft
einfach das Telefon hin. Mutti kümmert sich gerade um Sinje. Ich soll dich
fragen, was los ist und ob
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