Küstenfilz
Thorolf war das Ei
zu weich, Margit hatte Vivekas Marmelade nicht nachgekauft, und Lüder war
ohnehin an allem schuld.
Dieser Auffassung
war Margit letztlich auch, als Lüder ihr eröffnete: »Ich muss heute Vormittag
noch einmal an die Schlei.«
»Das ist nicht dein
Ernst«, zürnte Margit. »Wenigstens am Wochenende könnten wir die Zeit
miteinander verbringen.«
»Wir könnten alle
zusammen nach Kappeln fahren. Während ihr dort bummeln geht, erledige ich
schnell meine Aufgaben, und dann genießen wir den Rest des Tages gemeinsam.«
»Manno, wieder so lange im Auto hocken«, protestierte Thorolf. Viveka hatte eine Verabredung,
Jonas verkündete schlicht: »Hab keinen Bock«, und Margit schwankte zwischen
Protest und Hilflosigkeit, da sie auf Lüders Hilfe im Haushalt und beim Einkauf
gehofft hatte.
So war er eine halbe
Stunde später allein mit schlechtem Gewissen Richtung Norden unterwegs. Dennoch
musste er schmunzeln, als er noch einmal die häuslichen Turbulenzen Revue
passieren ließ. Wir sind eben eine ganz normale Familie, dachte er sich, als er
von der gewundenen Landstraße auf die Zufahrt zu Hinrich Petersens Anwesen
abbog. Sein Wagen rollte noch, als hinter der Hausecke ein kräftig gebauter
Schäferhund hervorgeschossen kam und wütend gegen die Fahrertür sprang. Während
der Hund heftig bellte, zeigte er zwei Reihen Zähne, deren nähere Bekanntschaft
Lüder nicht machen wollte. Der Hund ließ auch nicht von seinen Attacken ab, als
in der Tür des Gebäudes ein stabil gebauter Mann erschien und die Szene
gelassen beobachtete. Lüder betrachtete den Grauhaarigen in seiner derben
Cordhose, die durch Hosenträger gehalten wurde. Die Ärmel des karierten
Flanellhemdes waren hochgerollt und gaben den Blick auf zwei kräftige Unterarme
frei.
Er ließ den Hund
noch einen Moment wütend toben, gab dann ein Kommando und wartete, bis das Tier
zu ihm zurückkehrte.
Lüder ließ die
Scheibe auf der Beifahrerseite herunter.
»Herr Petersen?«,
fragte er.
»Was wollen Sie?«,
gab der Mann als Antwort zurück.
»Polizei. Können Sie
den Hund wegsperren?«
Der Mann grinste
breit. »Polizei? Einer von der feigen Sorte? Unsere grünen Jungs aus Kappeln
haben keine Angst vor Haustieren.«
Trotzdem bequemte er
sich, den Hund ins Haus zu führen. Kurz darauf erschien er wieder und blieb auf
dem Treppenabsatz stehen.
Lüder stieg aus und
kam ihm entgegen. »Sind Sie Herr Petersen?«, fragte er erneut.
»Ja.«
»Ich möchte mit
Ihnen sprechen.«
»Warum?«
Petersen kramte in
der ausgebeulten Tasche seiner Hose und holte eine Pfeife hervor. Mit dem
Daumen drückte er den Tabak im Kopf fest, zündete sich die Pfeife an und zog lang und genussvoll daran.
»Es geht um den
Anschlag auf Ihre Nachbarin.«
»Da haben wir nix
mit am Hut.«
»Trotzdem klopfen
wir das Umfeld des Opfers ab. Ist es Ihnen lieber, wenn ich Ihnen eine
Vorladung zukommen lasse?«
»Zu einem Verhör?«
Petersen kniff die Augen zu einem schmalen Schlitz zusammen.
»Zu einer
Befragung.«
Der Mann wies mit
seiner Pfeife auf eine weiß lackierte Holzbank an der Hauswand. Dann setzte er
sich. Lüder folgte seinem Beispiel.
»Sie investieren in
Ferienanlagen?«, begann Lüder.
Petersen warf ihm
einen Seitenblick zu. »Was hat das mit der Sache bei Rasmussen zu tun?«
»Vielleicht
beantworten Sie einfach meine Fragen«, schlug Lüder vor.
»Ja, kann sein«, sagte
Petersen.
»Es interessiert uns
nicht, was Sie mit Ihrem Geld machen. Es geht darum, zu ergründen, ob Rasmussen
mit seinen Windkraftanlagen jemandem ins Handwerk pfuscht, dass der sich rächen
möchte. Vielleicht sollte mit der Briefbombe auch nur ein Zeichen gesetzt
werden.«
Petersen nahm die
Pfeife aus dem Mund und tippte sich mit dem Mundstück gegen die Stirn. »Wer das
glaubt, ist wohl ‘nen bisschen malle, was?«
»Soll ich daraus
schließen, dass Sie das neue Bestätigungsfeld von Rasmussen voll unterstützen?«
Mit dieser
Formulierung hatte Lüder ins Schwarze getroffen.
»Bin ich denn jeck?
Bei dem tickt das doch nicht richtig. Diese Scheißdinger brummen den ganzen Tag
herum, werfen Schlagschatten und sehen auch noch bescheuert aus. Der verjagt
die ganzen Touris mit dem Schiet. Wer will schon Urlaub inner Stromfabrik
machen?«
»Folglich gibt es
Diskrepanzen zwischen Ihnen und Ihrem Nachbarn?«
Petersen zog an
seiner Pfeife, bevor er antwortete. »Das kannst wohl glauben.«
»Haben Sie versucht,
Rasmussen Land abzukaufen?«
»Wieso das denn?«
»Um
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