Küstenfilz
wir aber Glück
gehabt.«
»Was für einen
Vertrag haben Sie unterschrieben?«, fragte Lüder.
»Na, so ‘n Wisch,
dass wir an den Anwalt verkaufen. Und nur an ihn.«
»Darf ich einen
Blick auf das Papier werfen?«, bat Lüder.
»Geht nicht«, erwiderte
Erich Joost. »Das hat er wieder mitgenommen.«
»Und Ihnen keine
Kopie gelassen?«
»Nee.«
»Wie hieß der
Anwalt?«
Joost fuhr sich mit
der Hand durch die Haare. Dann fasste er sich an die Stirn. »Mensch, wie war
das noch gleich? Buhrofen oder so ähnlich. Auf jeden Fall war er ein Doktor.«
»Der sah richtig
seriös aus«, mischte sich Lisbeth Joost ein.
Lüder war nicht
einmal sonderlich erstaunt. In Notlagen denken Menschen häufig nicht an die
kleinsten Selbstverständlichkeiten. Den Leuten musste das Wasser wirklich bis
zum Hals stehen. Sie hatten nur den Strohhalm in Gestalt der zweitausend Euro
gesehen. Und das Ende ihres Hofes zeichnete sich ohnehin ab. Da war das Geld
ein Geschenk des Himmels. Zweitausend. Allein daran konnte man den Charakter
von Dr. Buurhove erkennen. Petersen, der sich in keiner Notlage befand, hatte
der Wirtschaftsanwalt fünfundzwanzigtausend geboten. Und Joost hatte
wahrscheinlich nur Glück und überhaupt ein Almosen erhalten, weil sich eine
andere Interessentengruppe in der Region tummelte, die von einigen als »Pat und
Patachon« bezeichnet wurde.
Lüder überreichte
Erich Joost seine Karte. »Verständigen Sie mich bitte, wenn sich in dieser
Sache jemand bei Ihnen meldet.«
Der Landwirt las die
Karte. »Machen wir, Herr Kriminalrat«, versprach er.
»Lüders. Die Anrede
mit dem Dienstrang ist bei uns in Schleswig-Holstein nicht üblich.«
Lüder beobachtete,
wie Joost unruhig mit der Visitenkarte spielte und sie zusammenrollte.
Vorsichtshalber zog er eine zweite Karte hervor und überreichte sie Frau Joost.
»An Sie habe ich die gleiche Bitte.«
Zögernd griff die
Frau nach der Pappe. »Das Problem ist nur, dass wir im Augenblick nicht
telefonieren können. Die Telekom hat uns den Anschluss gesperrt, verstehen
Sie?«
Lüder tat, als würde
er aufstehen. Beiläufig fragte er: »Sind Sie verwandt mit Joachim Joost aus
Schleswig?«
Das Ehepaar sah sich
erschrocken an. »Ja«, gab Erich Joost zur Antwort.
»Sie haben von den
Vorfällen gehört?«
Jetzt fing Lisbeth
Joost wieder an zu schluchzen. »Die armen Kinder. Joachim war früher oft in den
Ferien bei uns auf dem Hof. Damals, als die Zeiten noch besser waren.«
»In den letzten
Jahren kaum noch«, ergänzte ihr Mann. »Da war es bei uns nicht mehr so, dass
wir Besuch empfangen konnten. Schon gar nicht Kinder.«
»Kennen Sie Joachims
Söhne? David und Josh?«
Während Erich Joost
nickte, erklärte seine Frau: »David schon. Aber den kleinen Josh haben wir nur
ein einziges Mal gesehen, kurz nach der Geburt. Da waren wir zur Taufe
eingeladen.«
Als Lüder wieder in
seinem Auto saß, schaltete er sein Handy auf Empfang. Die Mobilbox meldete
sich. Margit fragte an, wann er wieder zu Hause sein würde. Schließlich war es
Wochenende, und sie würde auch gern etwas von ihm haben.
Lüder wählte seinen
Privatanschluss. Natürlich war es Jonas, der zuerst am Apparat war.
»Ist Mama da?«
»Die ist sauer auf
dich, weil du unterwegs bist«, sprudelte es wie immer aufgeregt aus dem
Kindermund. Jonas schien nie genügend Zeit zu haben, um eine Sache in Ruhe zu
Ende bringen zu können. »Außerdem hat die komische Frau wieder angerufen.«
»Welche Frau?«
»Die olle Ziege, die
gemeckert hat, als ich mich mit Kalle Blomquist gemeldet habe.«
»Hat sie was
gesagt?«
»Nicht so richtig.«
»Jonas! Das ist
wichtig. Also, was hat sie gesagt?«
»Das war fast zu
erwarten, hat sie gesagt.«
»Warum?«
»Als ich ihr erzählt
habe, dass du mit ein paar Kumpels und einer Kiste Bier zum Segeln auf die
Förde raus bist.«
Bevor Lüder
antworten konnte, hörte er das Besetztzeichen, als Jonas schnell aufgelegt
hatte.
Lüder atmete tief
durch. Dann wählte er Frauke Dobermanns Handynummer.
»Wie ist das Wetter
auf dem Wasser? Haben Sie eine steife Brise?«, fragte sie anstelle einer
Begrüßung.
Lüder erklärte ihr,
dass er Rasmussen, Petersen und Joost besucht hätte.
»Ihr Sohn hat am
Telefon aber etwas anderes erzählt. Der scheint es mit der Wahrheit nicht allzu
genau zu nehmen.«
Lüder unterließ es,
Frauke Dobermann zu antworten. Wie hätte er ihr Jonas’ Lebhaftigkeit erklären
sollen. »Der Junge ist genau wie du«, pflegte Margit stets zu sagen und
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