Küstenfilz
oder Dreistigkeit war, schon in
einem solchen frühen Stadium auf fremdem Grund und Boden Vermessungsarbeiten in
Auftrag zu geben.
»Hallo? Sind Sie noch da?«, riss ihn Hauptkommissar
Eisermann aus seinen Gedanken.
Lüder dankte dem Göttinger Kripobeamten für die gute
Arbeit und versprach, sich bei passender Gelegenheit gern zu revanchieren.
Die Information, dass die DEU dahintersteckte, erklärte auch die Aktivität der
hochkarätigen Düsseldorfer Anwaltskanzlei, für die Dr. Dr. Buurhove an der
Schlei tätig war. Und der bediente sich der Essener Wirtschaftsdetektei. Diese
hatte den Mülheimer Privatdetektiv Willi Kwiatkowski beauftragt, der die
dreckige Arbeit wie die Bestechung des Schleswiger Beamten erledigte. Auf diese
Weise machten sich die eigentlich Verantwortlichen die Hände nicht schmutzig,
sondern würden sich immer wieder von den durch Kwiatkowski angewandten Methoden
distanzieren können.
Aber der aalglatte Anwalt hatte Spuren hinterlassen,
indem er Rasmussen und Petersen Geld angeboten und Joost sogar gegeben hatte.
Das waren ein paar kleine Mosaiksteine. Ob das ausreichen würde, Dr. Buurhove
rechtlich etwas anzuhaben, mussten die Juristen später klären.
Damit blieb aber eine andere Frage offen. Wer waren
die beiden Männer, die als »Pat und Patachon« bezeichnet wurden? Hatte das
geheimnisvolle Vorhaben, ein Atomkraftwerk an der Schlei zu errichten, die Begierde
weiterer Interessenten geweckt?
Das alles erklärte aber immer noch nicht die
Gewalttaten an Bärbel Rasmussen und die Ermordung des kleinen Josh Joost. Es
war unvorstellbar, dass selbst ansonsten skrupellose Konzerne sich solcher
Mittel bedienten. Wer mischte noch in diesem schmutzigen Spiel mit?, fragte
sich Lüder.
*
In den Räumen der Flensburger Mordkommission herrschte
emsige Betriebsamkeit. Es wurde telefoniert, die Beamten tauschten
Informationen und Meinungen aus, diskutierten diese und jene Vorgehensweise.
Frauke Dobermann saß an ihrem Schreibtisch. Die
Flurtür stand offen. Sie griff zu ihrer Kaffeetasse, nahm einen Schluck und
stellte das Trinkgefäß angewidert wieder zurück.
»Busch«, rief sie einem zufällig auf dem Flur
vorbeilaufenden Mitarbeiter der Mordkommission zu.
Der Angesprochene blieb abrupt stehen und fragte: »Ja?«
Die Hauptkommissarin wies auf ihre Tasse. »Bringen Sie
mir mal ‘nen neuen. Dieser ist kalt. Das schmeckt ja ekelhaft.«
Wortlos griff der Beamte die Tasse und verschwand damit,
um kurz darauf mit einer frisch gefüllten zurückzukehren. Immerhin bequemte
sich seine Vorgesetzte zu einem »Danke, Busch«.
Sie war immer noch verärgert über das Auftreten von
Harm Mommsen. In ihrem Team duldete sie keinen Widerspruch. Ihre Mitarbeiter
wussten darum und verhielten sich entsprechend. Seitdem sie Mommsen früher
einmal als Verstärkung für die Mordkommission bei dem rätselhaften Mord in
Bredstedt angefordert hatte, wo ein Nachwuchsmanager vom Himmel gefallen zu
sein schien, war das Verhältnis zwischen ihr und dem jungen Kommissar aus Husum
gespannt. Womöglich bildete sich der Schönling ein, er hätte eine Chance bei
ihr, nur weil ihm, dem smarten Typen, andere Frauen hinterblinzelten.
Nach der Teambesprechung hatte sie Mommsen und
Holtgrebe aus Schleswig zur Rede gestellt. Doch beide zeigten sich
uneinsichtig. Das nagte immer noch an ihr. Sie hatte die beiden nach Schleswig
geschickt, um dort im Umfeld der Wohnung der Eltern die Nachbarn erneut zu
befragen und um die Super- und Drogeriemärkte abzuklappern. Vielleicht würde
ein Angestellter eines Geschäftes sich an die Frau erinnern. Mommsen hatte
eingewendet, dass es seiner Auffassung nach günstiger wäre, auf das Foto von
Rotraud Kiesberger aus Sömmerda zu warten, doch Frauke Dobermann hatte auf
ihrer Weisungsbefugnis beharrt.
Busch erschien erneut, blieb im Türrahmen stehen und
klopfte gegen die offene Tür.
»Entschuldigung, Frau Dobermann, aber soeben ist das
Bild der Kiesberger eingetroffen.«
»Gut. Schicken Sie es sofort zur Kripostelle nach
Schleswig weiter und benachrichtigen Sie Holtgrebe, dass die beiden sich das
Bild dort abholen können.«
Der Mann wollte sich umdrehen, als ihm die
Hauptkommissarin hinterherrief: »Busch, ich will auch einen Blick draufwerfen.«
Wenig später brachte Busch die Ablichtung. Sie zeigte
ein typisches Polizeifoto. Rotraud Kiesberger hatte ein Allerweltsgesicht. Hohe
Wangenknochen, eine zu dünne Nase, schmale Lippen und ein spitz zulaufendes
Kinn. Auf dem Bild trug sie
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