Küstenfilz
dem Weg nach Ahrensburg
sei und mit wem er dort sprechen wollte.
Endlich hatte der Trucker ein Einsehen und reihte sich
wieder hinter seinem Konkurrenten ein, den er nicht hatte bezwingen können.
Langsam löste sich die Schlange genervter Pkw-Fahrer auf, und Lüder kam wieder
zügiger voran.
Mit zehnminütiger Verspätung erreichte er sein Ziel.
Der Sitz der Regionalverwaltung lag im Ahrensburger Gewerbegebiet Nord.
Westlich zogen sich die Eisenbahngleise der Hauptstrecke Hamburg–Lübeck
entlang, während der Beimoorweg, dem das Areal den Namen verdankte, in einem
Bogen nach rechts schwenkte. Auf der linken Straßenseite beherrschte ein über
die Grenzen der Stadt hinaus bekanntes Gewürzwerk die Szene, im Hintergrund lag
das Gelände der Großdruckerei des Axel-Springer-Verlages. In diesem illustren Umfeld
hatte sich der Energieversorger niedergelassen.
Das Gebäude war ein postmoderner Neubau. Die Fassade
bestand nur aus Aluminium und blauem Spiegelglas, das den Einblick ins Haus
verwehrte. In der gepflegten Grünanlage vor dem Sitz der DEU Holsten Power standen zwei
Fahnenmasten, von denen die Europaflagge und die Schleswig-Holstein-Flagge
wehten. Auf einem Sockel fand sich der dezente Verweis auf den
Besucherparkplatz und die Hausnummer. Lüder sah hingegen nirgendwo einen
Hinweis auf den Namen des Unternehmens, das hier residierte. Er fragte sich, ob
der Stromgigant sich in die Anonymität flüchten wollte, weil er den Neid der
Kunden beim Anblick dieses elegant-luxuriösen Hauses fürchtete, oder ob das
Understatement ein unbewusster Schutz vor wütenden Konsumenten oder engagierten
Umweltfanatikern war.
Lüder hielt vor einer Schranke und wurde über eine
Gegensprechanlage gefragt, ob er mit einem Mitarbeiter des Energieunternehmens
verabredet sei.
»Ich habe einen Termin mit Herrn Grimm.« Die Nennung
des Geschäftsführers beeindruckte den unsichtbaren Gesprächspartner in keiner
Weise. Stattdessen wurde Lüder nach seinem Namen gefragt und um einen Moment
Geduld gebeten. Eine Kamera in der Rufsäule sowie eine zweite hinter der
Parkschranke rundeten die Sicherheitsmaßnahmen gegen unliebsame Besucher ab.
Schließlich meldete sich die Lautsprecherstimme wieder
und gab die Zufahrt frei.
Die gleiche Prozedur wiederholte sich, als Lüder ins
Haus hineinwollte. Auch an der verschlossenen Tür wurde er befragt und von
einer Kamera beobachtet.
Nachdem ein Summen anzeigte, dass der Türverschluss
freigeben war, konnte er die repräsentative Eingangshalle betreten. Dunkler
gebrochener Schiefer bedeckte den Fußboden. Sorgfältig gepflegte Hydrokulturen
lockerten die nüchterne Atmosphäre auf. Am Ende der Halle befand sich ein
indirekt beleuchteter Tresen, vor dem eine weitere Zugangssperre mit
Drehkreuzen den freien Eintritt verwehrte.
Die ausgeklügelten Sicherheitssysteme überraschten
Lüder. Offensichtlich hielten die Hausherren ihren Betrieb für
sicherheitsgefährdet.
Eine attraktive Mittdreißigerin kam auf Lüder zu.
»Herr Lüders?«, fragte sie, und als er nickte, bat sie
ihn, ihr zu folgen.
Der gläserne Fahrstuhl im lichten Atrium, das sich im
Inneren des Gebäudes verbarg, schwebte lautlos in die zweite Etage. Von dort
führte die Frau Lüder zum Vorzimmer des Geschäftsführers. Auffällig war, dass
im Gebäude kaum Menschen zu sehen waren. Entweder waren hier kaum welche
beschäftigt, oder die Mitarbeiter hockten alle in ihren Bürowaben und werkelten
emsig an der Mehrung des Shareholder-Values.
In der Verbindungstür zwischen Vor- und Chefzimmer
stand Reiner Grimm. Der Mann mochte einen Meter achtzig groß sein und neigte zu
Fülle. Dazu passte auch der Ansatz eines Doppelkinns im runden Gesicht, das
schwammig aussah. Die Gesichtszüge wirkten weich und strahlten nicht die
Energie aus, die man von einem Mann in seiner Position allgemein erwartet. Ein
kleiner Schnauzbart deckte die wulstige Oberlippe ein wenig ab.
Die locker nach hinten gekämmten Haare und die Ansätze
von Geheimratsecken passten zum Gesamteindruck. Dafür war der Rest vom
Feinsten. Ein tadellos gebügelter mittelblauer Armani-Anzug, ein Hermès-Gürtel,
dazu ein makelloses weißes Hemd und eine dezent gemusterte Krawatte sowie
handgenähte Schuhe zeugten vom erlesenen Geschmack des Trägers oder zumindest
von guten Beratern.
»Herr Lüders«, begrüßte der Manager Lüder mit einer
gar nicht zu seinem Äußeren passenden angenehmen Stimme, die aber einen
sächsischen Akzent nicht verhehlen konnte.
Die Stimme war
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