Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
gestellt
werden. Klasse, dass du auch dabei bist. Wir werden es ihnen schon zeigen!«
Stuhr überlegte,
wie er am schnellsten flüchten konnte. Da legte sich eine warme Hand auf seine andere
Schulter. »Schön, wie alle Generationen an diesem historischen Ort gemeinsam gegen
das Unrecht kämpfen. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist fabelhaft und absolut einzigartig.«
Kommissar Hansen blinzelte vertraulich.
Was sollte
Stuhr tun? Wenn Leute wie Hansen und Olli hier auftauchten, um gegen den Atomstrom
und die Energiemafia zu protestieren, dann musste er als alter Kämpfer nicht mehr
seine Knochen hinhalten. Seinen Beitrag zum Protest hatte er beim Fotoshooting im
Ehrenmal vollbracht. Zwei Heldentaten in einer Woche? Nein!
Stuhr beschloss,
schnellstens zu verduften. Er würde sich zu Hause bequem auf der Flachglotze die
Bilder des Tages ansehen. Stuhr klopfte Hansen und Olli freundlich auf die Schulter.
»Ich muss noch einmal kurz zurück, ich habe meinen Gummiknüppel im Kofferraum vergessen.
Der freut sich schon auf seine Tanzeinlage.«
Ungläubig
bestaunten ihn die beiden, als er sich aus dem Staub machte. Den Frontberichten
von Hansen und Olli sah er jetzt schon entspannt entgegen. Er winkte ihnen ein letztes
Mal zu, bevor er sie aus den Augen verlor.
Stuhr konnte seinen Wagen mühelos
wenden, und er fand es äußerst entspannend, auf leer gefegten Landstraßen dieses
Chaos zu verlassen und sein neues Zuhause anzusteuern. Er stellte das Radio ein.
Auf allen Sendern wurde von der Demonstration berichtet, und die Stimmen klangen
zum Teil dramatisch.
Eine Stimme
kannte er besonders gut, die von Petra Bester. Er stellte das Radio lauter. Sie
berichtete, dass sich in den letzten Wochen die großen europäischen Energieversorger
mit den russischen Erdgasproduzenten, die auf den Markt in Deutschland drängten,
eine wilde Schlacht hinter den Kulissen geliefert hatten.
Ein Rundfunkreporter
fragte interessiert nach: »Was meinen Sie, Frau Bester, wird der Aufschrei des Volkes
in Brokdorf nachhaltig die Energiepolitik der Regierung verändern?«
Energisch
zog Petra im Rundfunk ihr pessimistisches Resümee. »Nein. Ich glaube nicht, dass
der Staat in der Lage ist, die Interessen der großen Energieversorger wirksam einzugrenzen.
Nimmt man ihnen die Betriebserlaubnis, zahlen sie keine Steuern mehr. Die haben
sich alle gegenseitig an der Gurgel. Da helfen auch keine Beschwichtigungsarien
von unserem Sozialminister Fröhlich mehr.«
Der Reporter
wurde hellhörig. »Sie meinen, Sozialminister Fröhlich sollte seinen Hut nehmen?«
Petra Bester
antwortete keck. »Meinen Sie das denn nicht? Natürlich wäre es für alle besser,
wenn er zurücktreten würde. Was meinen Sie, warum Hunderttausende trotz des ungemütlichen
Regenwetters heute in die Wilstermarsch gereist sind? Wenn ich als Verlegerin der
Kieler Rundschau nicht meinen Pflichten nachkommen müsste, wäre ich aus fester Überzeugung
mitten unter ihnen.«
Stuhr konnte
sich Petra beim besten Willen nicht inmitten dieses Mobs vorstellen, aber sie verkaufte
sich gut im Sender.
Selbst der
Reporter schien beeindruckt zu sein. »Worin sehen Sie denn das Kernproblem, Frau
Bester?«
Jetzt begann
Petra zu dozieren. »Machen wir uns nichts vor. Die Braunkohleanlagen in Ostdeutschland
und die Steinkohlekraftwerke im Westen sind Klimakiller ersten Ranges. Gegen das
Restrisiko in Atomanlagen wird volles Klimarisiko gefahren mit Kohlendioxidendlagern
unter der Nordsee, die niemand an der Westküste will. Fahren Sie einmal nach Sankt
Peter oder nach Föhr. Überall wehen dort Protestflaggen.«
Bingo. 5.000
Leser mehr für die Rundschau im westlichen Landesteil, konstatierte Stuhr.
Der Reporter
steuerte hörbar auf das Ende der Reportage zu: »Haben Sie denn für unsere Hörer
einen praktischen Ratschlag, wie sie sich klimafreundlich verhalten sollen?«
»Es gibt
nach Fukushima nur noch einen Königsweg, und der heißt Energie sparen. Das würde
die Märkte anders regulieren, glauben Sie mir.«
Der Reporter
bedankte sich für das Gespräch. »Liebe Hörer, das war ein aufschlussreiches Hintergrundinterview
inmitten des heutigen Aufmarsches in Brokdorf mit der Verlegerin der Kieler Rundschau.
Vielen Dank, Petra Bester.«
Sollte Stuhr
sich freuen? Er schaltete das Radio aus.
Ein guter Freund
»Mein Gott, Konrad, siehst du scheiße
aus. Wer hat dir denn die Beule an deinem Schädel verpasst?«
Beule? Hansen
hatte am Morgen nicht in den Spiegel gesehen.
Gut, er
hatte
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