Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Küstengold: Kriminalroman (German Edition)

Küstengold: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Küstengold: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Geisler
Vom Netzwerk:
berüchtigtes
Langzeitgedächtnis.«
    Unerwartet
nahm ihn sein verhasster Büroleiter jetzt in den Arm und begann an seiner Schulter
zu weinen. Hansen hatte es wohl ein wenig übertrieben.

Immer wieder Brokdorf
     
    Kurz hinter Wilster war endgültig
Schluss. Ein stehender Autokonvoi mit Atomgegnern aus Hamburg versperrte Stuhr die
Weiterfahrt. Sie hatten vermutlich genau wie Stuhr die direkte Autobahnverbindung
entlang der Unterelbe gemieden und über Landstraßen die Wilstermarsch angesteuert.
Vermutlich hatte der Konvoi den äußeren Absperrgürtel der Polizei vom Gelände des
Atomkraftwerks Brokdorf erreicht, und deswegen stockte es jetzt. Da aber von hinten
immer mehr voll besetzte Autos nachrückten, blieb Stuhr nichts anderes übrig, als
seinen alten Golf auf dem matschigen Seitenstreifen abzustellen.
    Stuhr stieg
auf den Türholm seines Fahrzeuges und versuchte, sich einen groben Überblick über
die Lage zu verschaffen. Vor ihm quollen Hunderte von Insassen aus den geparkten
Fahrzeugen, eingehüllt in wetterfeste Kleidung, um dem Dauerregen und anderem drohenden
Unbill möglichst lange trotzen zu können. Sie rollten Transparente auseinander und
reckten Fahnen mit der Friedenstaube in die Höhe. Ein langer Treck hatte sich in
Bewegung gesetzt in Richtung der Betonkuppel des AKW Brokdorf, die nur wenige Kilometer
entfernt vor ihnen schemenhaft am Horizont auszumachen war. Erste zarte weibliche
Stimmen begannen, Solidaritätslieder anzustimmen. Lautes Singen vertreibt die Angst,
sagte sich Stuhr. Soweit war alles in Ordnung.
    Dennoch
hatte Stuhr ein unbehagliches Gefühl, sich dem Zielort auf unbefestigten Wegen zu
nähern. Was würde ihn erwarten? Nicht viel anders konnte es den Kreuzrittern bei
dem Sturm auf Jerusalem ergangen sein, vom Dauerregen einmal abgesehen.
    Ein unheimliches,
immer lauter werdendes Brummen ließ Stuhr aufgeschreckt umdrehen. Aus Richtung der
Backsteinkirche in Wilster donnerten Transporthubschrauber der Polizei in geringer
Höhe über sie hinweg.
    Schreie
wütender Demonstranten aus dem Tross vor ihm gellten zu den Hubschraubern hoch,
und die Friedensfahnen reckten sich ihnen kampfeswillig entgegen. Stuhr kam das
alles sehr vertraut vor, auch wenn bald 30 Jahre seit seiner letzten Demonstration
hier vergangen waren. Seinerzeit herrschte an dieser Stelle allerdings schon Bürgerkrieg.
Spezialkampftrupps mischten die Demonstranten auf und machten systematisch Jagd
auf sie. Sie ließen Luft aus den Reifen der abgestellten Fahrzeuge und schlugen
die Scheiben ein.
    Dass nach
den Morden ein Attentat auf das AKW gestartet werden sollte, daran konnte Stuhr
nach den gestrigen Ereignissen nicht mehr glauben. Petra Bester hatte diese Gefahr
jedoch in den Medien gepuscht und damit viel Aufsehen erregt. Vor allem für sich.
Schon die Freitagausgabe der Kieler Rundschau trug eindeutig ihre Handschrift. Die
Fotos von ihm dienten lediglich als Hingucker für die vielen Schlagzeilen. Petra
hatte begriffen, dass die Lesekompetenz der Gesellschaft auf dem absteigenden Ast
war. Sie schien die richtige Frau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein –
zurzeit allerdings noch als Verlegerin bei einem Käseblatt in der nördlichsten Provinz.
    Erst auf
der vierten Seite folgten von anderen Redaktionsmitgliedern im traditionellen Stil
verfasste Texte. Auf einer neuartig gestalteten Doppelseite im Mittelteil wies Petra
Bester in einem mutigen Artikel auf die Verfehlungen und Verstrickungen der Energiemultis
hin. Am Ende standen selbstverständlich noch einmal ihre Spekulationen um einen
möglichen Angriff auf das Atomkraftwerk in Brokdorf. Diese Nachricht wurde von allen
Fernseh- und Rundfunksendern wiederholt. Angst muss geschürt werden, um sie verkaufen
zu können.
    Dennoch,
Stuhr als Staatsbürger fühlte sich angesprochen. Deswegen war er hergefahren. Und
ein wenig neugierig war er auch, wen er von den alten Kämpen vielleicht wieder treffen
könnte.
    Jetzt konnte
er unweit den Schwarzen Block ausmachen. Es flogen bereits die ersten Knüppel. Ein
gepflegter jüngerer Mann im karierten Jackett schien nicht dazuzugehören, aber der
gebärdete sich besonders wütend.
    Stuhr ging
schneller. Er wollte sehen, was für ein Mensch das war.
    Es war Olli.
Zum Teufel, was suchte der hier? Stuhr verlangsamte seinen Schritt, aber es war
zu spät, denn Olli eilte direkt auf ihn zu und klopfte ihm euphorisch auf die Schulter.
»Hehehe, Stuhr. Diese widerliche Kaste der Energiegeier muss an den Pranger

Weitere Kostenlose Bücher