Kullmann
Blumenbeete in den schönsten Farben schmückten das große Anwesen und säuberlich gestutzte Hecken säumten das Gelände, um vor Einblicken von außen zu schützen.
Über mehrere Generationen hinweg hatte sich dieses prachtvolle Anwesen im Familienbesitz befunden. Schon immer war das Anwesen der Stolz der Familie und wurde mit großer Hingabe gepflegt, was Luise auch Zeit ihres Lebens fortgesetzt hatte, wie Kullmann an den formvollendeten Pflanzenarrangements erkennen konnte. Luise hatte schon immer einen besonderen Sinn für Schönheit gehabt.
Kullmann war zu angespannt, um Anzeichen von Vernachlässigungen zu entdecken. Schweren Herzens ging er auf das Portal zu und klingelte. Es dauerte sehr lange, bis ihm eine kräftige Frau mit herrischem Gesichtsausdruck öffnete.
»Ich möchte mit Herrn Kurt Spengler sprechen«, erklärte Kullmann.
So mürrisch, wie die Alte dreinschaute, antwortete sie: »Der Herr ist nicht zu Hause. Sie haben Pech.«
Damit war für sie das Thema erledigt, und die Tür fiel ins Schloss. Aber Kullmann ließ sich nicht so leicht abwimmeln, also klingelte er wieder. Noch mürrischer öffnete die Alte die Tür einen kleinen Spalt und wartete wortlos ab.
»Wann ist denn der Herr zu Hause? Ich muss dringend mit ihm sprechen!«
»Rufen Sie vorher an!«
Wieder stand er vor der verschlossenen Tür.
Enttäuscht ging Kullmann über den schmalen Weg zurück zu seinem Auto. Mehr zufällig als misstrauisch drehte er sich auf halbem Weg um und sah Kurt Spengler an einem der oberen Fenster stehen. Das war ja der Gipfel, ärgerte er sich und so, als hätte er seinen Gedanken gelesen, öffnete er das Fenster und rief herunter: »Norbert, du Versager. Gibst du denn nie auf?«
»Ich bearbeite den Mord an deiner Frau und muss dich bitten, mit mir zu sprechen, sonst bekommst du Schwierigkeiten. Dein hinterhältiges Spiel hat ein Ende gefunden, weil ich jetzt am längeren Hebel sitze. Entweder du öffnest mir die Tür oder ich lasse dich vorladen. Dann sieht die Befragung anders aus.«
»Aha, unser kleiner Teddybär muckt auf, wie süß!«, lachte Kurt Spengler und verschwand vom Fenster.
Verwirrt fragte sich Kullmann, was die Masche mit dem Teddybär zu bedeuten hatte. Aber lange überlegen konnte er nicht, weil die Haustür kurze Zeit später von dem Herrn persönlich geöffnet wurde.
»Komm herein, Norbert, und schau dir gut an, was dir in den letzten vierzig Jahren entgangen ist!«
Was man sich mit dem nötigen Kleingeld alles leisten konnte. Der Luxus protzte an allen Ecken und Enden, es hatte sich nichts geändert in all den Jahren. Große Fenster ließen flutartig das Licht in die große Diele hinein, so dass der Glanz der Einrichtung besonders eindrucksvoll zur Geltung kam. Während Kullmann sich in diesem prächtigen Ambiente umschaute, musste er daran denken, wie er vor Jahren zusammen mit Luise durch diese Hallen spaziert war. Ohne sie wirkte diese Pracht für ihn nur noch protzig und überladen.
»Wir gehen am besten in meine Bibliothek. Nur in gepflegter Umgebung kann man sich entspannt unterhalten«, prahlte Kurt Spengler. Er führte seinen Gast durch die Diele, als Kullmann Schritte hinter sich hörte. Trotz Spenglers Drängen drehte er sich von Neugierde getrieben um. Mit erhobenem Haupt stolzierte die rothaarige Frau durch die Halle, die an dem Tag in Spenglers Begleitung gewesen war, als Kullmann zusammen mit Anke auf dem Rückweg von Marthas Kneipe zum Landeskriminalamt war. Ihr Make-up war wieder grell aufgetragen.
Ohne Kommentar führte Spengler den Polizeibeamten weiter in den angepriesenen Raum. Die Bibliothek war ganz aus Holz gebaut, so dass der Anblick Kullmann den Atem verschlug. Diesen Raum hatte er niemals gesehen, vermutlich weil Luise sich damals nicht gerne dort aufgehalten hatte. Er war durch verschlungene Gewölbeformen mit holzummantelten Strebepfeilern und durch halbkreisförmig in das Rauminnere eingebuchtete Bücherwände an den Schmalseiten ganz im Barockstil gehalten, der so charakteristisch war, dass er auf den ersten Blick wie ein Original wirkte. Deckenhohe Bücherschränke waren um die Pfeiler herumgebaut und in jeder zurückversetzten Nische befand sich ein kleines Fenster. Das Mobiliar in diesem Raum war mit aufwendigen Intarsien verziert. Sogar der Boden bestand aus verschiedenen Holzarten, die kunstvoll wie ein Mosaik angeordnet waren. Während die Bücherregale aus Nussbaumholz angefertigt waren, umgaben die Säulen maserige Furniere. Der
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