Kullmann
gehasst?«, fragte Jürgen in einem Tonfall, als interessierte er sich dafür, welche Berufsausbildung Steven machen wollte. Steven spürte auch nicht die Bedeutung dieser Frage und murrte nur: »Die Scheißkerle sind genau da, wo sie hingehören.«
»Und was ist mit dem Kollegen, der Walter Nimmsgern immer begleitet hat? Hat der nicht auch den Tod verdient?«, fragte Jürgen weiter.
»Warum? Der hat doch nichts gemacht. Der Typ ist mir scheißegal!«
Schweigend hatte Kullmann diesem Teil der Unterhaltung gelauscht und trat anschließend auf den Balkon. Von dort aus sah er viele Menschen, die zu den Geschäften eilten und einige Jugendliche, die sich zu einem Grüppchen versammelt hatten, rauchten, redeten und laut lachten. Einige Autofahrer fuhren mit Vollgas und dröhnenden Auspuffrohren davon, andere suchten nach einem freien Parkplatz.
»Wie ist es möglich, dass hier eine Frau totgefahren wird und niemand bemerkt es? Das ganze Gelände ist voller Menschen!«
»In der Scheiß-Gegend kennt jeder nur sich. Da kann einer um Hilfe schreien, das interessiert hier keinen«, erklärte Steven resigniert.
Wieder schwieg Kullmann eine Weile. Er wandte seinen Blick vom Fenster ab und schaute sich weiter in der kleinen Wohnung um, bis er auf etwas Interessantes stieß. Über dem Sofa hingen Fotos, die Steven als Sportschützen zeigten, der eine Trophäe entgegennahm. Stolz lächelte der Junge in die Kamera, ein Lächeln, das sein Gesicht direkt sympathisch machte.
»Steven, wie ich hier sehe, bist du ein aktives Mitglied im Schützenverein«, meinte Kullmann, während er den nervösen jungen Mann beobachtete.
Nun wurde Steven erst richtig nervös. Er nestelte an seinen Hosentaschen herum und bewegte sich immer hastiger.
»Was soll der Scheiß?«, murrte er. »Ich musste aus dem Verein rausgehen, nachdem meine Oma gestorben war. Sie hat die Kohle immer beigesteuert!«
»Und hast du eine Waffe, mit der du schießen gegangen bist?«
»Nein! Dafür hat das Geld nicht gereicht. Aber der Verein hat für arme Schweine wie mich immer welche zur Verfügung gestellt. Sonst hätte ich das nicht machen können!«
Nun schaute der Junge ganz trotzig auf und platzte wütend heraus: »Was soll der ganze Scheiß? Meine Oma wurde totgefahren, nicht erschossen.«
»Das ist uns bekannt!«
Wieder blickte Steven auf den Boden und drehte den beiden Beamten den Rücken zu.
»Es geht Ihnen gar nicht um meine Oma! Sie sind nur wegen dieser Polizistenmorde hier, stimmt’s?«, begriff Steven endlich.
Als er keine Antwort bekam, drehte er sich um und schaute die beiden Beamten an.
»Ich habe nichts damit zu tun!«, erklärte er in die Stille.
»Ich brauche von dir eine Aussage, die wir schriftlich aufnehmen müssen«, erklärte Kullmann. »Ich schlage vor, du kommst morgen früh zu uns ins Büro und bringst es hinter dich!«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, schrie Steven los. »Ich sage doch: Ich habe mit den Polizistenmorden nichts zu tun.«
»Dann hast du auch nichts zu befürchten!«
Plötzlich blieb der junge Mann ganz ruhig vor Kullmann stehen und fragte: »Warum muss ich dann zu Ihnen ins Landeskriminalamt kommen?«
»Weil wir jede Aussage schriftlich aufnehmen müssen, die wir im Laufe der Ermittlungen bekommen. So wie wir Verdächtige suchen, müssen wir auch die herausfiltern, die nicht für die Tat in Frage kommen«, erklärte Kullmann sehr geduldig.
»Geht es um mein Alibi?«, fragte Steven.
»Darum geht es auch!«
»Wann sind die Polizisten denn umgebracht worden, damit ich weiß, für wann ich ein Alibi brauche?«, fragte Steven.
»Das brauchst du jetzt noch gar nicht zu wissen«, wehrte Kullmann ab.
Aber Steven blieb hartnäckig: »Walter ist doch schon vor über einem halben Jahr umgebracht worden. Ich kann doch heute unmöglich wissen, wo ich damals war?«
»Wir lassen dir einfach Zeit, dich zu erinnern.«
Unruhig begann Steven wieder in der kleinen Wohnung hin und her zu gehen und murmelte vor sich hin. Jürgen und Kullmann beobachteten ihn dabei. Plötzlich blieb er stehen und schimpfte: »Ich krieg es nicht gepeilt! Glauben Sie wirklich, ich hätte die Bullen erschossen?«
»Was wir glauben, werden wir dir nicht unter die Nase binden«, meinte Kullmann kühl.
Stevens kleine, graue Augen verengten sich und voller Misstrauen meinte er: »Ich habe das nicht getan. So eiskalt bin ich nicht, auch wenn mir die Typen nicht Leid tun. Aber was passiert mit mir, wenn mir nicht einfallen will, wo ich war, als
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