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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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zuzugesellen.

 
Ungerade
     
     
     
     
     

 
    Niedergeschlagen und entmutigt, im Innern vom steinschweren
Gewicht seiner unerwiderten Liebe belastet, blickte Fropome
schmachtend hinauf zum Himmel, dann schüttelte er langsam den
Kopf und starrte verzweifelt hinunter auf die Wiese vor sich.
    Ein in der Nähe weidendes Jungtier der Graser, das sich
zusammen mit dem Rest der Herde über die grasbewachsene Ebene
fraß, schubste eins seiner Geschwister. Normalerweise
hätte der Hirte den Scheinkampf mit Erheiterung beobachtet, doch
heute reagierte er mit einem tiefen, grollenden Ton, der das
heißblütige kleine Tier hätte warnen sollen. Eins der
herumtollenden Jungtiere sah kurz zu Fropome auf, wandte sich aber
gleich wieder der Balgerei zu. Fropome ließ einen Rankenlimbus
peitschenartig herausschnellen und zog den beiden Bengeln jeweils
kräftig eins über. Sie quietschten, ließen
voneinander ab und flitzten maulend und schreiend zur ihren
Müttern am Rand der Herde.
    Fropome sah ihnen nach, dann hob er – mit einem
ächzenden Laut, der sich sehr nach einem Seufzer anhörte
– den Blick wieder hinauf zum leuchtend orangefarbenen Himmel.
Er vergaß die weidenden Graser und die Prärie und dachte
wieder über seine Liebe nach.
    Die Dame seines Herzens, seine Angebetete, die EINE, für die
er mit Freuden jeden Hügel erklommen und jeden See durchwatet
hätte – all solche Sachen. Seine Geliebte; seine grausame,
kalte, herzlose, gleichgültige Geliebte.
    Er fühlte sich zermalmt, innerlich ausgetrocknet, wenn er an
sie dachte. Sie wirkte so gefühllos, so ungerührt. Wie
konnte sie nur so abweisend sein? Selbst wenn sie ihn ihrerseits
nicht liebte, hätte man doch zumindest annehmen können,
daß es ihr schmeichelte, wenn jemand seine unsterbliche Liebe
zu ihr zum Ausdruck brachte. War er denn so wenig reizvoll?
Fühlte sie sich womöglich beleidigt, weil er sie anbetete?
Aber wenn es so wäre, warum schenkte sie ihm dann keinerlei
Beachtung? Wenn ihr seine Gunstbezeugungen lästig waren, warum
sagte sie es nicht?
    Doch sie sagte nichts. Sie benahm sich so, als sei alles, was er
gesagt hatte, alles was er versucht hatte auszudrücken, nichts
anderes als ein peinlicher Ausrutscher, ein Fauxpas, den man am
besten überging.
    Er verstand das nicht. Glaubte sie etwa, daß er solche Dinge
leichtfertig aussprach? Bildete sie sich etwa ein, er hätte sich
nicht sorgsam überlegt, was er sagen und wie er es sagen wollte?
Er hatte aufgehört zu essen! Er hatte nächtelang nicht
geschlafen! Er wurde schon langsam braun und wellte sich an den
Rändern! Eßvögel richteten sich bereits
Schlafplätze in seinen Nistfallen ein!
    Ein Jungtier der Graser beschnüffelte seine Seite. Er packte
das pelzige kleine Wesen mit einer Ranke, hob es zu seinem Kopf hoch,
sah es mit seinen vier Vorderaugen an, bespritzte es mit Reizstoff
und schleuderte das wimmernde Tierchen in ein nahes Gebüsch.
    Der Busch schüttelte sich und gab ein Murren von sich.
Fropome entschuldigte sich bei ihm, während sich das Junge
freizappelte und wild strampelnd davonstob.
    Fropome wäre mit seinem Seelenschmerz lieber allein gewesen,
aber er mußte die weidende Herde hüten, mußte sie
von säureübersättigten Stellen, Kerngewächsen und
Blähkraut fernhalten, sie vor dem Wergspeichel der
Eßvögel schützen und durfte sie nicht in die
Nähe der schwergewichtig balancierenden wilden Felsentiere
geraten lassen.
    Alles war so grausam! Konnte nicht wenigstens die Liebe anders
sein? Fropome schüttelte sein verwelktes Laubwerk.
    Sie mußte doch irgend etwas fühlen! Sie waren
jetzt schon seit geraumer Zeit Freunde; sie kamen gut miteinander
aus, sie konnten über dieselben Dinge lachen, sie hatten
ähnliche Ansichten… Da sie sich doch in so vieler Hinsicht
glichen, wie konnte er eine so verzweifelte, fieberhafte Leidenschaft
für sie empfinden und sie keinerlei Gefühl für ihn
aufbringen? Konnten die tiefsten Wurzeln der Seele so unterschiedlich
sein, wenn alles andere so sehr im Einklang zu sein schien?
    Sie mußte doch etwas für ihn empfinden! Es war
ein widersinniger Gedanke, daß sie keinerlei Gefühl
für ihn haben könnte. Vermutlich wollte sie einfach nicht
zu forsch erscheinen. Ihre Zurückhaltung war eine reine
Vorsichtsmaßnahme; verständlich, sogar lobenswert. Sie
wollte sich nicht zu schnell auf etwas einlassen – das war
alles. Sie war unschuldig wie eine ungeöffnete Knospe,
schüchtern wie eine Mondblüte, bescheiden wie ein in
Blätter

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