Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
in die Luft gejagt werden, dann
sind wir gerettet.
»Fühlst du dich gut genug, um weiterzugehen?«
»Was?«
»Wir sollten uns wieder auf den Weg machen, meinst du
nicht?«
»Ach so. Ja. Okay.« Ich lasse mich auf den kahlen Boden
hinab. Meine Füße tun einen Moment lang schrecklich weh,
doch als ich anfange zu laufen, läßt der Schmerz nach. Der
Hang sieht jetzt nicht anders aus als viele Kilometer hinter uns.
Mein Atmen ist bereits zu einem heftigen Schnaufen geworden.
Plötzlich sehe ich ein lebhaftes Bild der Basis vor mir, wie
sie aussehen könnte, wie sie wahrscheinlich jetzt ist: ein
ausgedehnter, rauchender Krater, während desselben Angriffs aus
dem Planeten gerissen, der unseren Absturz bewirkt hat. Doch selbst
wenn das die Wirklichkeit sein sollte, ist es trotzdem sinnvoll,
daß wir uns dorthin begeben. Rettungs- oder
Verstärkungsmannschaften werden am ehesten dorthin ausgeschickt.
Unsere Chance, aufgelesen zu werden, ist dort größer als
irgendwo sonst. Und es gibt sowieso kein Modulwrack am Boden, in
dessen Nähe wir hätten bleiben können; es hat sich mit
so hoher Geschwindigkeit bewegt, daß es völlig verbrannte,
selbst in dieser dünnen Atmosphäre, wie es mit uns auch
beinah geschehen wäre.
Ich hege immer noch die schwache Hoffnung, daß man uns vom
Raum aus entdecken wird, wenn ich das auch jetzt nicht mehr für
sehr wahrscheinlich halte. Alles, was dort oben unversehrt geblieben
ist, richtet den Blick jetzt vermutlich nach außen. Wenn man
unseren Absturz bemerkt oder uns auf der Planetenoberfläche
ausgemacht hätte, dann hätte man uns inzwischen längst
geholt, vermutlich nur ein paar Stunden nach unserem Aufprall am
Boden. Sie können nicht wissen, daß wir hier sind, und wir
haben keine Möglichkeit, mit ihnen Verbindung aufzunehmen. Also
können wir nichts anderes tun als marschieren.
Die Felsen und Gesteinsbrocken werden allmählich kleiner.
Ich marschiere weiter.
Es ist Nacht. Ich kann nicht schlafen.
Die Sterne bieten einen großartigen Anblick, aber keinen
Trost. Außerdem friere ich, was die Sache auch nicht besser
macht. Wir befinden uns immer noch an dem Hang; wir haben heute etwas
mehr als sechzehn Kilometer zurückgelegt. Ich hoffe, daß
wir morgen den Rand der Böschung erreichen oder zumindest
irgendeine andersgeartete Landschaft. Während des Marschierens
hatte ich heute mehrmals den Eindruck, daß wir trotz all meiner
Anstrengung kein Stück weitergekommen sind. Alles sieht so
gleich aus.
Verdammt soll meine Abstammung vom Menschengeschlecht sein! Die
Seiten und der Bauch tun mir schrecklich weh. Meine Beine und
Füße haben besser durchgehalten, als ich erwartet habe,
aber meine Verletzungen quälen mich. Mein Kopf schmerzt
ebenfalls. Normalerweise würde mich der Anzug mit Schmerz-,
Beruhigungs- oder Schlafmitteln vollpumpen, und mir außerdem
alle möglichen Muskelaufbaupräparate und Drogen zur
Selbstwiederherstellung des Körpers verabreichen. Mein
Körper schafft diese Dinge nicht aus eigener Kraft, wie es bei
den meisten Geschöpfen der Fall ist, deshalb bin ich auf die
Gnade des Anzugs angewiesen.
Er behauptet, sein Recycler habe ein Leck. Ich spreche nicht gern
darüber, aber der dünne Schleim, den er absondert, schmeckt
abscheulich. Der Anzug sagt, er bemühe sich immer noch, die
undichte Stelle zu finden, doch bisher hat er noch keine Fortschritte
gemacht.
Ich habe die Arme und Beine jetzt innen, in einem durchgehenden
Anzugraum. Darüber bin ich froh, denn auf diese Weise kann ich
mich kratzen. Der Anzug liegt mit seitlich angeklammerten und zum
Torso hin geöffneten Armen da, seine Beine sind ebenfalls offen
miteinander verbunden, ohne eine trennende Schicht dazwischen, und
die Brust ist erweitert, damit ich etwas mehr Platz habe. Unterdessen
gefriert das Kohlendioxid draußen, und die Sterne scheinen
gleichmäßig.
Ich kratze mich unentwegt. Auch etwas, das Menschen, die eine
durchgreifendere Veränderung erfahren haben, nicht zu tun
brauchen. Ich kann nicht durch bloßes Denken den Juckreiz
verschwinden lassen. Es ist nicht sehr gemütlich hier drin.
Normalerweise ist es das; warm und behaglich und angenehm; jeder
chemischen Laune des eingeschlossenen Körpers wird entsprochen;
eine kleine Gebärmutter, um sich hineinzukringeln und zu
träumen. Das Material, mit dem die Innenwände ausgeschlagen
sind, kann sich nicht mehr so anpassen wie früher, es bleibt
ziemlich hart und fühlt sich verschwitzt an – und riecht
auch so. Der Geruch des
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