Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
setzen unseren
Marsch fort.
»Wenn und falls wir wieder nach Hause kommen, was geschieht
dann mit dir?«
»Weil ich beschädigt bin?« sagt der Anzug.
»Ich kann mir vorstellen, daß man einfach den Körper
wegwirft, weil er so viel abbekommen hat.«
»Wirst du einen neuen bekommen?«
»Ja, natürlich.«
»Einen besseren?«
»Damit rechne ich.«
»Was wird man wiederverwenden? Nur das Gehirn?«
»Und etwa einen Meter der Sekundärsäule plus einige
untergeordnete Einheiten.«
Ich möchte, daß wir dorthingelangen. Ich möchte,
daß wir gefunden werden. Ich möchte leben.
Wir erreichen etwa gegen Mitte des Vormittags den Rand der
Böschung. Obwohl ich gar nicht selbst marschiere, bin ich sehr
erschöpft und müde, und mein Appetit ist vergangen. Der
Anblick sollte eigentlich eindrucksvoll sein, aber mir wird nur
bewußt, daß wir einen langen, schwierigen Weg nach unten
vor uns haben. Der Bergkamm ist geröllbedeckt und
gefährlich, durchschnitten von vielen Furchen und Rinnen, die
weiter unten zu schroffen, schattigen Schluchten werden, die schmale
Grate und zerklüftete, spitze Felsen teilen, Geröll breitet
sich auch jenseits davon aus, weit unten, in der Landschaft am
Fuße des Felsmassivs; es hat die Farbe von altem, getrocknetem
Blut.
Ich bin entsprechend niedergeschlagen.
Wir sitzen auf einem Felsen und ruhen uns aus, bevor wir den
Abstieg beginnen. Der Horizont zeichnet sich sehr klar und deutlich
ab. In weiter Ferne gibt es Berge und viele breite, flache
Kanäle in der weiten Ebene, die zwischen den Bergen und uns
liegt.
Mir geht es nicht gut. Mein Bauch schmerzt andauernd, und tiefes
Atmen tut ebenfalls weh, als ob ich eine Rippe gebrochen hätte.
Ich glaube, es liegt lediglich am Geschmack der Suppe, die der
Recycler hervorbringt, daß es mir den Appetit verschlagen hat,
aber ich bin nicht sicher. Ein paar Sterne stehen am Himmel.
»Wir können nicht vielleicht den Abstieg schwebend
erledigen, oder?« frage ich den Anzug. Schließlich sind
wir auf diese Weise durch die Atmosphäre gekommen. Der Anzug
benutzte dabei das letzte bißchen AG, das ihm noch geblieben
war, und schaffte es irgendwie, ein zerrissenes Fotopaneel zu einem
Fallschirm umzufunktionieren.
»Nein. Das AG-System wird mit ziemlicher Sicherheit beim
nächsten Versuch vollkommen versagen, und der
Fallschirm-Trick… Wir würden zuviel Platz brauchen, zuviel
Fallgeschwindigkeit, um zu gewährleisten, daß er sich
entfaltet.«
»Dann müssen wir also klettern?«
»Wir müssen klettern.«
»Na gut, dann klettern wir eben.« Wir stehen auf und
nähernd uns dem Rand.
Es ist wieder Nacht. Ich bin erschöpft und unglaublich
müde, aber ich kann nicht schlafen. Meine Seite reagiert
empfindlich auf jede Berührung, und mein Kopf pocht
unerträglich. Wir haben den ganzen Nachmittag und Abend
gebraucht, um hier herunter zu gelangen, und wir mußten uns mit
vereinten Kräften dafür anstrengen. Einmal wären wir
fast abgestürzt. Wir fielen gut hundert Meter tief, und es gab
nur ein paar dünne Bruchscheiben von Schiefergestein zum
Anklammern, bis der Anzug schließlich mit den Füßen
Halt fand. Irgendwie schafften wir es bis ganz unten, ohne
hängenzubleiben und die Fotopaneele weiter zu zerreißen.
Wahrscheinlich hatten wir mehr Glück als Verstand. Ich hab das
Gefühl, daß mir jeder einzelne Muskel weh tut. Ich habe
Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich will nichts
anderes, als mich zu drehen und zu wenden und zu versuchen, eine
Stellung zu finden, um bequemer zu liegen.
Ich weiß nicht, wieviel ich noch ertragen kann. Dieser
Zustand wird bestimmt noch hundert Tage oder mehr anhalten, und
selbst wenn mich das noch immer unentdeckte Leck nicht umbringt, dann
sterbe ich vermutlich an Erschöpfung. Wenn sie uns doch nur
suchen würden! Es hört sich schwierig an, jemanden zu
finden, der in einem Anzug auf einem Planeten herumwandert, aber
eigentlich dürfte es das nicht sein. Der Planet ist öde,
eintönig, tot und reglos. Wir sind bestimmt im Umkreis von
Hunderten von Kilometern die einzige Bewegung, das einzige Leben.
Nach unserem Stand der Technologie müssen wir uns wie Fels aus
dem Staub erheben, aber entweder suchen sie nicht oder es ist niemand
mehr übrig zum Suchen.
Aber wenn es die Basis noch gibt, dann müssen sie uns doch
irgendwann entdecken, oder nicht? Die Satelliten können doch
nicht die ganze Zeit nur nach außen gerichtet sein, oder? Es
muß doch irgendeine Vorrichtung geben, die Ausschau
Weitere Kostenlose Bücher