Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
abbekommen hätte, dann wären nur noch
Strahlen und Atome übrig, aber vermutlich wäre kein
einziges Molekül unversehrt geblieben. Selbst bei einem
Beinah-Fehlschlag wäre nichts für das bloße
menschliche Auge Erkennbares mehr vorhanden. Nur etwas ganz Winziges
– vielleicht nicht einmal ein Sprengkopf, sondern lediglich
etwas, das sich sehr schnell bewegte – oder eine gewaltige
Zielverfehlung hinterließ sichtbare Trümmer.
    Das darf ich nicht vergessen, das muß ich im Sinn behalten.
Wie schlecht es mir auch gehen mag, ich lebe noch, obwohl die Gefahr
sehr groß war, daß nichts von mir übrigbleiben
würde, nicht einmal Asche, ganz zu schweigen von mir als ganzes
Wesen, das immer noch in der Lage ist, sich voranzubewegen.
    Aber die Beschädigung ist nicht zu leugnen. Wir beide sind
beschädigt. Ich bin verletzt, aber der Anzug nicht minder, was
in gewisser Hinsicht schlimmer ist.
    Er wird hauptsächlich mit externer Energie angetrieben, indem
er die schwachen Sonnenstrahlen so gut aufnimmt, wie er kann, was
aber so unergiebig ist, daß er sich in der Nacht ausruhen
muß; wir beide müssen dann schlafen. Seine Kommunikations-
und Antigravitationssysteme sind zerstört, und auch die
Recycling- und medizinischen Einheiten sind schwer in Mitleidenschaft
gezogen worden. Außer all diesem Ungemach gibt es noch ein
kleines Leck, das wir nicht finden können. Ich habe Angst.
    Er sagt, daß ich innere Verletzungen habe und mich nicht
bewegen sollte, aber wir haben eingehend darüber gesprochen und
sind übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, daß unsere
einzige Chance darin besteht, zu marschieren und grob in die richtige
Richtung zu gehen, in der Hoffnung, daß wir von der Basis
gesehen werden, zu der wir ursprünglich unterwegs waren, als wir
per Modul reisten. Die Basis liegt eintausend Kilometer südlich
des nördlichen Eiskaps. Wir sind vom Äquator aus in
Richtung Norden aufgebrochen, aber wie weit nach Norden unser Weg
führt, das wissen wir nicht. Es wird ein langer Marsch werden,
für uns beide.
    »Wie geht es dir jetzt?«
    »Gut«, antwortet der Anzug.
    »Was glaubst du, wie weit wir heute kommen?«
    »Vielleicht zwanzig Kilometer.«
    »Das ist nicht sehr viel.«
    »Du bist immer noch ziemlich krank. Wir werden besser
vorankommen, wenn du erst wieder gesund bist. Es ging dir ziemlich
schlecht.«
    Ziemlich schlecht. Es kleben immer hoch kleine Brocken von
Erbrochenem und Flecken getrockneten Blutes im Innern des Helms, an
Stellen, wo ich sie sehen kann. Sie riechen nicht mehr, aber sie
bieten auch keinen sehr erfreulichen Anblick. Ich werde heute abend
noch mal versuchen, sie wegzuputzen.
    Ich mache mir Sorgen – neben allem anderen, was mich belastet
–, daß der Anzug nicht ganz ehrlich mit mir ist. Er
behauptet, er glaubt, daß unsere Chancen fünfzig zu
fünfzig stehen, aber ich habe den Verdacht, daß er
entweder überhaupt keine Ahnung hat oder in Wirklichkeit ganz
genau Bescheid weiß, daß die Dinge viel schlimmer sind,
als er mir erzählt. Das hat man davon, wenn man einen klugen
Anzug besitzt. Aber ich habe einen solchen verlangt, es war meine
Entscheidung, also kann ich mich nicht beschweren. Außerdem
wäre ich vielleicht gestorben, wenn der Anzug nicht so gescheit
wäre, wie er ist. Er hat uns beide hier heruntergebracht, aus
dem Modulwrack und durch die dünne Atmosphäre, während
ich noch von der Explosion bewußtlos war. Ein Anzug in
Standardausführung hätte die Sache vielleicht fast genauso
gut gemacht, aber fast hätte nicht gereicht; es war so
schon eine äußerst knappe Angelegenheit.
    Meine Beine tun weh. Der Boden ist ziemlich eben, aber hin und
wieder muß ich kleine Erhebungen und gerillte Strecken
überwinden. Meine Füße sind auch wund, aber die
Schmerzen in meinen Beinen machen mir größere Sorgen. Ich
weiß nicht, ob ich es durchhalte, den ganzen Tag lang zu
marschieren, wie es der Anzug von mir erwartet.
    »Wie weit sind wir gestern gekommen?«
    »Fünfunddreißig Kilometer.«
    Der Anzug ist die gesamte Strecke gegangen und hat mich wie ein
totes Gewicht mitgeschleppt. Ich bin aufgestanden, und wir sind
losmarschiert, wobei ich mich innen anklammerte, um nicht hin und her
zu taumeln; die spärlichen Überreste seiner
verstümmelten Notversorgungs-Fotopaneele schleiften über
den staubigen Boden hinter ihm wie die Flügel eines seltsamen
verletzten Insekts.
    Fünfunddreißig Kilometer. Ich habe bis jetzt noch nicht
ein Zehntel davon geschafft.
    Ich muß einfach

Weitere Kostenlose Bücher