Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
wäre, etwas phantasievoller… Aber
er bleibt stets derselbe.
Ich habe mir in letzter Zeit viele Gedanken über den Krieg
gemacht, und ich glaube, ich bin zu dem Schluß gekommen,
daß er falsch ist. Wir geben uns geschlagen, indem wir Kriege
beginnen, wir zerstören uns, indem wir sie gewinnen. All unsere
Statistiken und Annahmen bedeuten um so weniger, je mehr sie
angeblich aussagen. Wir unterliegen, in unserer militanten
Einstellung, nicht einem einzelnen Feind, sondern allem, gegen das
wir je gekämpft haben, und zwar in uns selbst. Wir dürften
eigentlich nichts damit zu tun haben, wir dürften nichts
unternehmen; wir haben unsere feine Ironie für eine
mechanistische Pietät aufs Spiel gesetzt, und der Glaube, um den
wir kämpfen, ist unser eigener.
Steig aus, halt dich raus, bleib sauber.
Habe ich das gesagt?
Ich dachte, der Anzug hätte etwas in dieser Art
geäußert. Ich bin nicht sicher. Manchmal glaube ich,
daß er die ganze Zeit auf mich einredet, während ich
schlafe.
Vielleicht redet er sogar die ganze Zeit auf mich ein,
während ich wach bin, doch es passiert nur gelegentlich,
daß ich es höre. Ich glaube, er ahmt mich nach, versucht,
genauso zu klingen, wie ich klinge. Vielleicht will er mich zum
Wahnsinn treiben, ich weiß es nicht.
Manchmal weiß ich nicht, wer von uns beiden etwas gesagt
hat.
Ich zittere und versuche, mich in dem Anzug umzudrehen, aber es
geht nicht. Ich wünschte, ich wäre nicht hier. Ich
wünschte, all dieses wäre nicht geschehen. Ich
wünschte, es wäre alles nur ein Traum, aber wie die Farben
der Erde und der Luft ist es unwiderlegbar.
Mir ist sehr kalt, und die Sterne bringen mich zum Weinen.
»Das Innere soll außen sein,
soll außen sein, soll außen sein.«
»Halt den Mund!«
»Oh, endlich sprichst du mit mir.«
»Ich sagte: Halt den Mund!«
»Aber ich habe doch gar nichts gesagt.«
»Du hast gesungen!«
»Ich singe nicht. Du hast gesungen!«
»Lüg nicht! Wage es nicht, mich anzulügen! Du hast
gesungen!«
»Ich versichere dir…«
»Du hast! Ich habe dich gehört!«
»Du schreist. Beruhige dich. Wir haben noch einen langen Weg
vor uns. Wir werden nie an unserem Ziel ankommen, wenn
du…«
»Ich laß mir nicht von dir den Mund
verbieten!«
»Das habe ich nicht. Du hast gesagt, ich soll den Mund
halten.«
»Was?«
»Ich sagte…«
»Was hast du gesagt?«
»Ich…«
»Was… was hast… wer bist…?«
»Wenn du nur einen Augenbli…«
»Wer bist du? Wer bist du? O nein,
bitte…«
»Hör mal, ka…«
»Nein, bitte…«
»Was?«
»… bitte…«
»Was?«
»… bitte… bitte… bitte…
bitte…«
Ich weiß nicht, welcher Tag heute ist. Ich weiß nicht,
wo ich bin oder wie weit ich gekommen bin oder wie weit der Weg ist,
den ich noch vor mir habe.
Ich bin wieder bei Verstand. Es gab nie eine Anzug-Stimme. Ich
habe es mir alles nur eingebildet, es war die ganze Zeit über
meine eigene Stimme. Ich muß mich in einem ganz schön
schlimmen Zustand befunden haben, daß ich mir all das
eingebildet habe, daß ich nicht in der Lage war, mit der
Tatsache meines Hierseins fertigzuwerden, mit der Einsamkeit,
daß ich mir jemanden geschaffen habe, mit dem ich mich
unterhalten konnte, wie ein einsames Kind mit einem Freund, den
außer ihm niemand sieht. Ich habe daran geglaubt, als ich die
Stimme hörte, aber jetzt höre ich sie nicht mehr. Selbst in
den Momenten äußerster Eindringlichkeit und
Glaubwürdigkeit war es nichts anderes als die schale Stille des
Wahnsinns. Zum Glück war das ein vorübergehender Zustand.
Wie alles.
Ich blicke nicht mehr zu den Sternen hinauf, für den Fall,
daß die Sterne ebenfalls anfangen, mit mir zu sprechen.
Vielleicht liegt die Basis im Kern. Vielleicht wandere ich immer
darum herum und komme ihr niemals näher.
Meine Gliedmaßen bewegen sich jetzt selbständig,
automatisch, programmiert. Ich brauche kaum noch zu denken. Alles
ist, wie es sein soll.
Wir brauchen die Maschinen nicht dringender, als sie uns brauchen.
Wir glauben nur, daß wir sie brauchen. Sie sind ohne Bedeutung.
Sie brauchen nur sich selbst. Natürlich hätte mich ein
abgefeimter Anzug in die Pfanne gehauen, um sich selbst zu retten;
wir haben sie zwar nicht nach unserem Ebenbild konstruiert, aber
letzten Endes funktionieren sie so.
Wir haben etwas geschaffen, das der Vollkommenheit ein wenig
näherkommt als wir selbst; vielleicht ist das der einzige Weg
zum Fortschritt. Sollen sie doch versuchen, dasselbe zu tun! Ich
bezweifle,
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