Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
schwächer. Man könnte es leicht übersehen,
und offenbar halten sie sowieso nicht nach einem Zeichen
Ausschau.
»Ich frage mich, was mit uns allen letzten Endes
geschieht«, gähne ich, endlich dem Einschlafen nahe.
»Ich weiß es nicht. Wir müssen einfach
abwarten,’ dann werden wir schon sehen.«
»Was für ein Spaß das sein wird!« murmle ich,
und dann sage ich nichts mehr.
Der Anzug sagt, dies sei der zwanzigste Tag.
Wir befinden uns auf der anderen Seite am Fuß des Gebirges,
das wir von der Böschung aus in der Ferne gesehen haben. Ich
lebe immer noch. Der Druck im Anzug ist vermindert, um den Verlust
durch das Leck zu verlangsamen; der Anzug ist zu der Ansicht gelangt,
daß es sich nicht um ein Loch im eigentlichen Sinne handelt,
sondern um eine vermehrte Osmose an verschiedenen Stellen, wo beim
Absturz zuviel von den äußeren Schichten abgegangen ist.
Ich atme jetzt reinen Sauerstoff, was uns erlaubt, den Druck
beträchtlich abzusenken. Es mag auf einem Zufall beruhen, aber
das Essen aus der Recyclerröhre schmeckt besser, seit wir auf
das Zeug pur umgestellt haben.
Ich habe ständig einen dumpfen Schmerz im Bauch, aber ich
lerne allmählich, damit zu leben. Ich glaube, es macht mir
nichts mehr aus. Ich werde überleben oder sterben, aber wenn ich
jammere und mir Sorgen mache, werde ich meine Chancen nicht
verbessern. Der Anzug weiß nicht genau, was er davon halten
soll. Er ist sich nicht sicher, ob ich alle Hoffnung aufgegeben habe
oder ob ich dem Ganzen überheblich gegenüberstehe. Ich habe
kein Schuldgefühl dabei, daß ich ihn im unklaren
lasse.
Ich habe die Kamera verloren.
Vor acht Tagen habe ich versucht, eine seltsame, der menschlichen
Gestalt ähnliche Felsformation in den hohen Bergen aufzunehmen,
als mir die Kamera aus der Hand rutschte und in einen Spalt zwischen
zwei großen Gesteinsbrocken fiel. Der Anzug schien darüber
ebenso betrübt zu sein wie ich; normalerweise hätte er
jeden der beiden Felsen in die Luft heben können, aber jetzt
schafften wir es nicht einmal gemeinsam, einen der beiden vom Fleck
zu rühren.
Meine Füße sind inzwischen verhornt und abgestumpft,
was das Gehen erheblich leichter macht. Ich werde insgesamt immer
mehr abgehärtet. Wenn ich diese Sache überstanden habe,
werde ich daraus als ein besserer Mensch hervorgehen, davon bin ich
überzeugt.
Der Anzug gibt zweifelnde Laute von sich, als ich eine
entsprechende Bemerkung mache.
In letzter Zeit habe ich einige einsame Sonnenuntergänge
gesehen. Es muß sie die ganze Zeit über schon gegeben
haben, aber ich habe keine Notiz von ihnen genommen. Ich mache mir
jetzt ein Vergnügen daraus, sie zu beobachten; ich bleibe wach,
setze mich hin und betrachte die dahinjagende oder -ziehende,
zitternde planetarische Luft und die hohen Wolken, zerfetzt oder
gebauscht, kommend und gellend, Schichten um Schichten der
einhüllenden Atmosphäre, in allen Farben schwelgend und
sich wie glatte, stille Hüllen drehend.
Es gibt einen kleinen Mond, der mir bisher auch noch nicht
aufgefallen ist. Ich richte die Außensichtsgläser so weit
nach oben wie möglich, sitze da und betrachte sein graues
Gesicht, sofern ich es finde. Ich habe mit dem Anzug geschimpft, weil
er mich nicht daran erinnert hat, daß der Planet einen Mond
hat. Er entgegnete, daß er es nicht für wichtig gehalten
habe.
Der Mond sieht blaß und zerbrechlich aus, und
pockennarbig.
Ich habe angefangen, mir selbst Lieder vorzusingen. Das
ärgert den Anzug ungemein, und manchmal tue ich so, als sei das
die höchste Belohnung für meine gesangliche
Zügellosigkeit. Manchmal glaube ich sogar, daß es wirklich
so ist. Es sind ziemlich erbärmliche Liedchen, denn ich bin
nicht besonders begabt, mir welche auszudenken, und die anderer Leute
kann ich mir sehr schlecht merken. Der Anzug behauptet auch
beharrlich, meine Stimme sei flach, aber ich vermute, er will mir nur
eins auswischen. Ein paarmal hat er sich gerächt, indem er durch
meine Kopfhörer Musik in höchster Lautstärke gespielt
hat, aber dann singe ich nur um so lauter, und er gibt klein bei. Ich
habe versucht, ihn zu überreden, mit mir zusammen zu singen,
aber er schmollt und ziert sich.
Es war einmal ein Raum-Mann,
der war ein glücklicher Mann.
Er flog durch das große ge
und sah wirklich alles dort.
Doch eines Tages, o weh,
reiste er zu jenem Ort,
wo er stolperte und schwankte,
und im Planetendreck landete.
Ganz so schlimm war das nicht,
doch es kommt das Ende der Geschicht’;
er
Weitere Kostenlose Bücher