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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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finde, er müßte mein Wohlbefinden etwas ernster
nehmen. Schließlich ist das seine Aufgabe.
    »Wenn du willst, daß ich aus dir rausgehe und auf
eigene Faust weiterlaufe, dann mach ich es«, erkläre ich
ihm.
    »Das wird nicht nötig sein.«
    Ich wünschte, er würde eine Ruhepause vorschlagen. Ich
fühle mich wieder schwach und schwindelig, und mir ist nicht
entgangen, daß der Anzug den größten Teil der
Anstrengung auf sich genommen hat, als wir vom Dach des Lavatunnels
abstiegen. Der Schmerz in meinem Bauch ist unablässig da. Wir
machen uns also wieder mal daran, über die geröllbedeckte
Ebene zu marschieren. Ich habe Lust auf eine Unterhaltung.
    »Sag mal, Anzug, hast du dich nicht auch schon gefragt, ob
das Ganze die Sache wert ist?«
    »Ob welches Ganze welche Sache wert ist?« fragt er, und
ich höre wieder diesen herablassenden Ton in seiner Stimme.
    »Du weißt schon, das Leben. Ist es den ganzen…
Aufwand wert?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein, ich habe mich das noch nie gefragt.«
    »Warum nicht?« Ich stelle mit Bedacht nur kurze Fragen,
während wir weitermarschieren, um Energie und Atemluft zu
sparen.
    »Ich brauche mich das nicht zu fragen. Es ist nicht
wichtig.«
    »Nicht wichtig?«
    »Es ist eine irrelevante Frage. Wir leben, das
reicht.«
    »Aha. So einfach ist das also, ja?«
    »Warum nicht?«
    »Warum?«
    Danach schweigt der Anzug. Ich warte darauf, daß er noch
etwas sagt, aber es kommt nichts. Ich lache und wedele mit unseren
gemeinsamen Armen. »Ich meine, was soll das alles, Anzug? Was
bedeutet das alles?« .
    »Welche Farbe hat der Wind? Wie lang ist ein Stück
Seil?«
    Das muß ich mir durch den Kopf gehen lassen. »Was ist
ein Seil?« frage ich schließlich und werde den
Verdacht nicht los, daß ich irgend etwas nicht mitbekommen
habe.
    »Vergiß es. Geh weiter!«
    Manchmal wünschte ich, ich könnte den Anzug sehen. Es
ist sonderbar, fällt mir jetzt auf, da ich darüber
nachdenke, jemanden nicht sehen zu können, mit dem man spricht.
Nur diese hohle Stimme, meiner eigenen nicht unähnlich, die in
dem Raum zwischen der Innenwand des Helms und der Außenwand
meines Schädels erklingt. Es wäre mir lieber gewesen, wenn
ich ein Gesicht vor Augen gehabt hätte oder auch nur irgendeinen
Gegenstand, auf den ich meine Aufmerksamkeit hätte richten
können.
    Wenn ich die Kamera noch hätte, könnte ich ein Foto von
uns beiden machen. Wenn es hier Wasser gäbe, könnte ich
darin unser Spiegelbild betrachten.
    Der Anzug hat meine Form, in erweitertem Ausmaß, aber sein
Gehirn ist nicht das meine; es ist unabhängig. Das verwirrt
mich, aber ich schätze, so ist es sinnvoll. Aber ich bin froh,
daß ich mir die Version mit der vollen 1.0-Intelligenz
ausgesucht habe; der übliche 0.1-Typ wäre als Gesellschaft
völlig untauglich gewesen. Vielleicht wird meine geistige
Gesundheit an der Plazierung eines Dezimalpunktes gemessen.
     
    Nacht. Es ist die fünfundfünfzigste Nacht. Morgen wird
der sechsundfünfzigste Tag sein.
    Wie geht es mir? Schwer zu sagen. Meine Atmung ist sehr
mühsam geworden, und ich bin sicher, daß ich abgenommen
habe. Meine Haare sind inzwischen lang gewachsen, und mein Bart ist
ganz ansehnlich, wenn auch ein wenig struppig. Die Haare fallen mir
aus, und ich muß mich winden und verdrehen und kräftig
ziehen, wenn ich einen Arm in den Körperraum des Anzugs holen
will, um die ausgegangenen Haare in die Abfalleinheit zu
stoßen, was ich jeden Abend tue, weil sie sonst jucken. Nachts
wache ich wegen der Schmerzen in meinem Innern auf. Sie sind wie ein
eigenständiges kleines Lebewesen, tatzelnd und kratzend, um
herausgelassen zu werden.
    Manchmal träume ich viel, manchmal überhaupt nicht. Das
Singen habe ich ganz aufgegeben. Das Land erstreckt sich immer
weiter. Ich hatte vergessen, daß Planeten so groß sind. Dieser hier ist kleiner als Standardmaß, und doch
scheint er endlos weiterzugehen. Mir ist sehr kalt, und die Sterne
bringen mich zum Weinen.
    Ich werde von erotischen Träumen gequält, und ich kann
nichts dagegen tun. Sie sind ähnlich wie der alte Traum, in dem
ich durch ein Raumschiff oder einen Ozeandampfer oder was auch immer
gegangen bin… Nur daß in diesem Traum die Leute um mich
herum nackt sind und miteinander schmusen, und ich bin unterwegs zu
meiner Geliebten… Aber wenn ich dann aufwache und masturbiere,
passiert gar nichts. Ich versuche es immer wieder, dabei
erschöpfe ich mich aber nur. Vielleicht, wenn der Traum etwas
deftiger erotisch gewesen

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