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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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etwas?«
    »Nun jaaa«, Y’sul bewegte seinen Doppeldiskus
skeptisch hin und her. »Man gibt die Hoffnung nie auf. Man
könnte sagen, vor dem Spiegel macht er sich nicht schlecht, aber
kann er seine Ideen auch in einen schmeichelhaften Schnitt umsetzen?
Das ist die Frage, die man sich stellen muss.«
    »Ich weiß«, nickte der Administrator. »Und er
ist auf dem Sprung, als Junioroffizier auf einem Panzerschiff
anzuheuern!«
    »Nicht einmal das! Als Matrose!«
    »Nein!«
    »Doch!«
    »Was für ein Abstieg für eine so angesehen
Persönlichkeit!«
    »Ich weiß, aber ein raffinierter Schachzug. Als Matrose
einzusteigen, bevor das Anwerbungsfenster noch richtig offen ist,
macht Sinn. Der Effekt der qualmenden Uniform.«
    »Ach ja! Natürlich!«
    Fassin versuchte, sich mit einem Räuspern bemerkbar zu
machen, aber ohne Erfolg.
    - Der Effekt der qualmenden Uniform?, lichtflüsterte
der Colonel.
    - Wie einem Toten die Schuhe auszuziehen, erklärte
Fassin. – Interne Beförderungen finden erst statt, wenn
die Feindseligkeiten begonnen haben. Wenn der Schneider Glück
hat, wird sein Panzerschiff schwer beschädigt und verliert ein
paar Offiziere, und dann wird er doch noch Offizier. Wenn er wirklich Glück hat, bringt er es auf diese Weise bis zum
Admiral.
    Hatherence überlegte. – Würde ein Schneider, wie
angesehen auch immer, unbedingt einen guten Admiral abgeben?
    - Wahrscheinlich wäre er nicht schlechter als der, den er
ersetzte.
    Das Problem war, dass für die Dweller alle Berufe im Grund
Hobbys und alle gehobenen Positionen nur Scheinämter waren. Der
Schneider, über den Y’sul und der Administrator so angeregt
schwatzten, hätte es eigentlich nicht nötig gehabt, als
Schneider zu arbeiten, er hatte nur festgestellt, dass er für
diese Beschäftigung (oder, was wahrscheinlicher war, für
den Klatsch und Tratsch, der untrennbar damit verbunden war) eine
gewisse Eignung besaß. Er nahm Kunden an, um sein Kudos zu
mehren, und die Kudos-Stufe erhöhte sich direkt proportional zur
Macht der Leute, für die er schneiderte. So konnte jemand in
einer einflussreichen Zivilposition auch dann zum Vorzugskunden
werden, wenn er an sein Amt durch eine Lotterie, ein undurchschaubar
kompliziertes Rotationssystem oder die altbewährte Methode der
Zwangsverpflichtung gekommen war. Posten wie der des Administrators
einer Stadt wurden nach all diesen und noch anderen Verfahren
vergeben, abhängig davon, in welchem Band und welcher Zone das
Amt zu besetzen war oder auch nur, um welche Stadt es sich handelte.
Der Administrator pflegte sich für die ehrenvolle Behandlung zu
revanchieren, indem sie in Gesprächen mit den richtigen Leuten
ganz nebenbei von ihrem berühmten und kudosreichen Schneider
schwärmte.
    Y’sul besaß offensichtlich genügend eigenes Kudos,
um sich die Dienste dieses Alpha-Ausstatters leisten zu können.
Wer in der Hackordnung weiter unten stand, hätte einen Schneider
mit weniger guten Beziehungen beschäftigt oder sich seine
Kleidung einfach kostenlos bei der Kommune besorgt, was in
diesem Fall so viel bedeutete wie ›von der Stange‹. Im
Allgemeinen verstand man darunter kudosfreie Massenprodukte, auf die
man ein Anrecht hatte, weil man Dweller war… und in diese
Kategorie fiel so ziemlich alles bis hinauf zum Raumschiff.
    Fassin hatte allerdings einige Dweller-Raumschiffe gesehen und
fand, dass die Methode ›stell ausreichend viele her und
verschenke sie dann‹ durchaus ihre Nachteile hatte.
    »Weißt du«, sagte Y’sul gerade, »meine
Bewerbung um den Status eines Junioroffiziers ruht schon seit
Jahrhunderten und wurde diesmal nicht einmal erwähnt. Als
einfacher Matrose anzuheuern, mag erniedrigend sein, aber wenn es zu
Opfern kommt, könnte es sich gewaltig auszahlen.«
    »Gewiss, gewiss«, sagte der Administrator und heftete
ihren Blick auf den Colonel. »Was ist das?«
    »Eine Oerileithe, ein Klein-dweller«, sagte Y’sul.
Es klang fast stolz.
    »Du meine Güte! Doch wohl kein kind?«
    »Man darf sie auch nicht essen. Ich habe gefragt.«
    »Sehr erfreut«, sagte der Colonel so würdevoll, wie
sie konnte. Offenbar begegneten die Dweller einer Oerileithe mit noch
weniger Respekt, als Fassin – und vermutlich auch der Colonel
selbst – erwartet hatten. Die Oerileithe hatten sich erst vor
relativ kurzer Zeit ganz unabhängig von der riesigen und
unsagbar alten Masse des galaktischen Dwellertums entwickelt und
wurden folglich von ihren altehrwürdigeren Gasriesenmitbewohnern
als Zwischending

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