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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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mich dieses Relais benutzen
zu lassen. Sobald eine sicherere Verbindung eingerichtet wäre,
vielleicht über eines von den Kriegsschiffen, die vermutlich
immer noch irgendwo um den Planeten kreisen, könnte man auch
eine Botschaft an Ihren Sept schicken und mitteilen, dass Sie wohlauf
sind. Das braucht nicht allzu lange zu dauern.«
    Während Hatherence sprach, war Y’sul dicht an sie
herangeschwebt und schien durch die Frontscheibe ihres Anzugs
spähen zu wollen, aber die war vollkommen undurchsichtig und
sogar gepanzert. Irgendwann befand er sich einen Zentimeter vor der
Oerileithe. Obwohl er sie weit überragte, wich der Colonel nicht
zurück. Y’sul klopfte – diesmal etwas behutsamer
– mit einem seiner Randarme auf das Anzuggehäuse.
    »Würden Sie das bitte unterlassen?«, sagte sie
frostig.
    »Warum steckst du immer noch in diesem Ding,
Klein-dweller?«, fragte Y’sul.
    »Weil ich an höhere und kältere Ebenen mit anderer
Gasmischung und anderen Druckgradienten angepasst bin, Dweller
Y’sul.«
    »Verstehe.« Y’sul wich zurück. »Du hast
einen merkwürdigen Akzent und eine sonderbare Grammatik. Ich
könnte schwören, dass dieser Mensch besser spricht als du.
Was sagtest du gleich noch?«
    »Ich habe Sie höflich gebeten, jeden physischen Kontakt
mit meinem Schutzanzug zu unterlassen.«
    »Nein, vorher.«
    »Ich machte den Vorschlag, mich mit meinen Vorgesetzten in
Verbindung zu setzen.«
    »Militärische Vorgesetzte?«
    »Ja.«
    Y’sul wandte sich an Fassin. »Klingt interessanter als
dein Plan, Fassin.«
    »Y’sul, gestern sind zweihundert von meinen Leuten ums
Leben gekommen. Wenn nicht mehr. Ich möchte…«
    »Ja, ja, ja, aber…«
    »Wenn keine Satelliten mehr da sind, muss ich vielleicht ein
Signal direkt nach ’glantine schicken«, sagte Hatherence.
In diesem Augenblick öffnete sich in einer Wand eine hohe
Tür, und ein Dweller in Amtstracht streckte seinen Rand
heraus.
    »Ich werde euch jetzt empfangen«, sagte der
Administrator der Stadt.
     
    Das Amtszimmer des Administrators war riesig, es hatte die
Ausmaße eines kleinen Stadions und war von
Holoschirm-Arbeitsplätzen gesäumt. Fassin zählte etwa
hundert von diesen Stationen, aber nur wenige waren mit zumeist
jungen Dwellern besetzt. Es gab keine Fenster, aber die Decke bestand
aus Diamantplättchen, und die meisten Abschnitte ließen
sich beiseite schieben, so dass der Raum zum rasch dunkler werdenden
Himmel hin offen war. Schwebelampen hüpften auf und ab und
übergossen sie mit weichem gelbem Licht, als sie dem
Administrator zum abgesenkten Audienzbereich im Zentrum des riesigen
Saales folgten.
    »Du bist schwanger!«, rief Y’sul. »Wie
entzückend!«
    »Das höre ich andauernd«, sagte der Administrator
verdrossen. Dweller waren in Ermangelung eines besseren Begriffs mehr
als neunundneunzig Prozent ihres Lebens männlich und wechselten
nur in die weibliche Form über, um schwanger zu werden und zu
gebären. Weiblich zu werden und ein Junges zu gebären galt
als gesellschaftliche Pflicht; die Tatsache, dass diese Verpflichtung
besonders ehrenvoll war, machte sie in der Ethik der Dweller
einmalig. Sie leistete einen massiven Beitrag zum Kudos-Guthaben und
übte in jedem Fall eine gewisse sentimentale Anziehungskraft auf
alle bis auf die eingefleischtesten Misanthropen dieser Gattung aus
(statistisch gesehen etwa dreiundvierzig Prozent). Dennoch war der
Zustand ohne Zweifel auch belastend, und nur sehr wenige Dweller
ertrugen ihn, ohne wortreich darüber zu klagen.
    »Ich selbst habe immer wieder einmal daran gedacht, weiblich
zu werden!«, sagte Y’sul.
    »Das Erlebnis wird überschätzt«, erklärte
der Administrator. »Besonders ärgerlich ist es, wenn man
eine Einladung zum bevorstehenden Krieg hatte und jetzt wohl
moralisch verpflichtet ist, sie abzulehnen. Bitte, sucht euch eine
Grube.«
    Sie schwebten zu einer Reihe von Vertiefungen im Audienzbereich
und ließen sich vorsichtig darin nieder.
    »Ich hoffe auch, in den Krieg ziehen zu können!«,
rief Y’sul vergnügt. »Oder zumindest ganz in die
Nähe. Ich war eben bei meinem Schneider, um mir die neueste und
modernste Konflikttracht anmessen zu lassen.«
    »Tatsächlich?«, sagte der Administrator. »Wer
ist denn dein Schneider? Meiner ist eben in den Krieg
gezogen.«
    »Doch nicht etwa Fuerliote?«, rief Y’sul.
    »Derselbe!«
    »Das war auch der meine!«
    »Der beste überhaupt.«
    »Unbedingt.«
    »Nun musste ich zu Deystelmin gehen.«
    »Taugt er denn

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