Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
Experten sprechen von einer Literatur des »Stream-of-Conciousness«, was man mit »Bewusstseinsstrom«-Literatur übersetzen könnte. Der Franzose Marcel Proust (»Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«), der Deutsche Alfred Döblin (»Berlin Alexanderplatz«), die Engländerin Virginia Woolf (»Mrs. Dalloway«) und vor allem der irische Literaturnobelpreisträger James Joyce (1882–1941) sind herausragende Vertreter dieser Richtung. Joyce’ Roman »Ulysses« (was übrigens auf Deutsch »Odyssee« bedeutet!) gilt sogar als Schlüsselwerk der Moderne. Der Autor schildert darin – teilweise in Form eines inneren Monologs seiner Figuren sowie in immer neuen Abschweifungen und literarischen Stilen – einen Tag im Leben des Dubliner Anzeigenvertreters Leopold Bloom. Das ist zugegebenermaßen ziemlich anstrengend zu lesen. Warum also muss man sich eine solche Lektüre antun?
Zunächst einmal: Es gibt kein Muss! Wir kennen viele literarisch Interessierte, die von »Ulysses« die Finger lassen. Andere, die sich trotz Vorbehalten an die Lektüre gemacht hatten, wurden mit der Zeit fortgerissen vom Strom der Erzählung. Sie vermeinten, in den Gedanken der Figuren zu leben und dabei völlig neue Einsichten zu erhalten. Für sie hat sich die Mühe gelohnt. Dennoch ist es keinem Leser zu verdenken, wenn er einen Roman mit linearer Handlung bevorzugt. Jüngere Autoren, wie in Deutschland zum Beispiel Daniel Kehlmann oder aus den USA Jonathan Franzen, Jeffrey Eugenides und Richard Powers kehren sogar zum Handlungsroman zurück. Jedoch kommen auch konventionell erzählte Romane gelegentlich mit wenig Handlung aus. Der Schriftsteller Theodor Fontane fasste das Geschehen in seinem Alterswerk »Der Stechlin« selbstironisch so zusammen: »Zum Schluss stirbt ein Alter, und zwei Junge heiraten sich.«
Man sollte sich also nicht gleich abschrecken lassen, wenn es auf den ersten 20 Seiten eines Romans nicht schon drunter und drüber geht. Manchmal braucht der Autor Zeit, um seine Figuren einzuführen und sich entwickeln zu lassen. Je weniger äußerlich geschieht, desto mehr gewinnen innere Vorgänge an Gewicht. Auch das kann ziemlich spannend sein. Wenn Sie aber über die Handlung eines Romans nachdenken, sollten Sie sich folgende Fragen stellen: Ist sie glaubwürdig? Ist sie logisch und nachvollziehbar? Agieren die Figuren ihrem Charakterentsprechend? Die Antworten geben Anhaltspunkte über die literarische Qualität des Werks.
4. die Originalität. Um zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, wollen wir hier das Gegenteil von Originalität als Klischee bezeichnen: Gute Literatur vermeidet ebenjene Klischees, Stereotypen wie zum Beispiel den immer schwarz gekleideten Schurken mit dem stechenden Blick, während der blonde Edle ein warmherziges Lächeln zeigt und die rothaarige Schöne sich bald als Biest erweist. Originalität kann sich auch in der Form ausdrücken. Der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt (1914–1979) erfand in seinen Werken (zum Beispiel »Zettels Traum«) neue Wörter, ignorierte die übliche Rechtschreibung und verzichtete auf Punkt und Komma. Das macht sein Werk zwar zum Gipfel der Unlesbarkeit, verweist aber zugleich auf die Möglichkeiten und Grenzen von Sprache.
Literatur ist ein weites Feld (»Ein weites Feld« lautet übrigens der Titel eines Romans von Günter Grass, was wiederum ein Zitat aus dem Roman »Effi Briest« von Theodor Fontane ist. Erneut ein Beweis dafür, wie ein Werk auf das andere verweist.) Die Literaturwissenschaftler teilen sie grob in drei Kategorien ein: Da ist zum Ersten die Dramatik, also jene Literatur, die für die Bühne geschrieben wird. Ihr haben wir bereits ein eigenes Kapitel gewidmet (siehe Theater). Zum Zweiten ist da die Lyrik, also die Literatur der Gedichte. Und dann gibt es natürlich drittens noch die Epik, die am häufigsten gelesene erzählende Literatur.
Warum sich Gedichte nicht immer reimen
Die älteste Form der Literatur dürfte die Lyrik sein. Ihre Ursprünge liegen im Gesang, von dem einige Wissenschaftlervermuten, er sei die Urform unserer Sprache. Der Name Lyrik kommt daher, weil man zu ihren Versen die Lyra, also die Leier spielte. Als das Besondere an der Lyrik würde wohl jeder auf Anhieb den Reim bezeichnen. Aber das ist sehr grob vereinfacht. Denn es gibt berühmte Gedichte, die sich kein bisschen reimen, weder als Endreim noch als Anlautreim (Stabreim oder Alliteration). Genauer gesagt unterscheidet sich die Lyrik von der Prosa (also der
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