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Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können

Titel: Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ein Erlebnis ein wenig auszuschmücken. Nicht umsonst gab Goethe seinen Lebenserinnerungen »Aus meinem Leben« den Untertitel »Dichtung und Wahrheit«. Der getrübte Blick auf die Fakten des eigenen Lebens beeinflusste vermutlich schon den Autor der allerersten Autobiografie: Der Kirchenlehrer Augustinus (354–430) berichtet in seinen »Bekenntnissen« (»Confessiones«) davon, wie er vom Sünder zum Gottesmann wurde. Die »Confessiones« zählen damit ebenso in den Bereich der Literatur wie spätere Werke auch – zum Beispiel die »Geschichte meines Lebens« von Casanova. Der britische Premierminister Winston Churchill erhielt für seine Lebenserinnerungen sogar den Literaturnobelpreis. Als Beispiel für eine Autobiografie eines zeitgenössischen Schriftstellers ist »Beim Häuten der Zwiebel« von Günter Grass zu nennen, in der er erstmals gesteht, Mitglied der SS gewesen zu sein.
    Dass auch Briefe und Tagebücher zur Literatur gezählt werden, mag auf den ersten Blick überraschen. Handelt es sich dabei nicht um ganz persönliche Aufzeichnungen? Für die meisten Menschen trifft das zu. Aber viele berühmte Schriftsteller spielen mit dieser literarischen Form und schreiben Briefe und Tagebücher mit dem Ziel, dass sie einst veröffentlicht werden. Die Tagebücher von Thomas Mann sind dafür ebenso Beispiel wie der Briefwechsel des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard mit seinem deutschen Verleger Siegfried Unseld.
    Als epische Kurzform gelten die Novelle, die Kurzgeschichte und die Erzählung. Zwischen diesen drei Formen gibt es zwar Unterschiede, die aber letztlich nur für Literaturwissenschaftler relevant sind. Wir können uns hier darauf verständigen, dass es sich schlichtweg um kurze Geschichten handelt, bei denen eine »unerhörte Begebenheit« (so einst Goethe über die Novelle) im Mittelpunkt steht. Oft werden mehrere Novellen unter einem Titel zusammengefasst, wie zum Beispiel das »Decamerone« von Giovanni Boccaccio (1313–1375) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Darin erzählen sich zehn vor der Pest auf einen Landsitz geflüchtete junge Leute in zehn Tagen je zehn Geschichten, manche frivolen Inhalts – ähnlich den »Geschichten aus 1001 Nacht«. Eine der großartigsten Erzählungen des 20. Jahrhunderts stammt von dem polnischstämmigen englischen Schriftsteller Joseph Conrad (1857–1924). Die Novelle »Herz der Finsternis«, in der Conrad in Form eines Berichts über eine Kongo-Expedition die Abgründe des Bösen im Menschen ausleuchtet, ist wahrscheinlich vielen in ihrer verfilmten Fassung bekannt: Francis Ford Coppola hat in »Apocalypse Now« die Handlung nach Vietnam verlegt.
    Die wichtigste Gattung der Epik ist ohne Zweifel der Roman. Schon im 17. Jahrhundert war es einem gelehrten Menschen unmöglich, alle Romane zu lesen, die auf den Markt kamen. Heute ist das absolut undenkbar. Das stellt uns für den Rest des Kapitels vor ein Problem: Wie ordnet man die Literaturgeschichte? Man könnte sie nach Epochen zusammenstellen, ganz ähnlich wie in den Kapiteln Architektur oder Malerei: Barock, Romantik, Realismus und so weiter. Oder man könnte verschiedene Arten von Romanen heranziehen: Kriminalroman, Liebesroman, historischer Roman und so fort. Wir haben uns jedoch entschieden, die Literatur als nationales Phänomen zu betrachten, um dadurch den bestmöglichen Querschnitt vorzustellen. Im 19. Jahrhundert hat sich nämlich fast jede Nation, vor allem im Osten Europas, ihren Nationaldichter zugelegt. Die Polen erkoren Adam Mickiewicz, die Rumänen Mihail Eminescu, die Ungarn Sándor Petöfi. Im Folgenden werden jene fünf bedeutenden Nationalliteraturen näher beleuchtet, die wir für besonders wichtig halten: die deutsche, russische, französische, englische und amerikanische.
    Weil diese Herangehensweise (ebenso wie jede andere) schrecklich ungerecht ist, beginnen wir mit einer Ausnahme: Der erste große Roman der Weltliteratur erschien 1605 und stammt von einem Spanier. Ironischerweise handelt es sich dabei bereits um eine Parodie auf andere Romane, nämlich die zur damaligen Zeit sehr beliebten Ritterromane. »Don Quijote«, der »Junker von der traurigen Gestalt« von Miguel de Cervantes (1547–1616), ist die unglaublich witzige Geschichte eines verarmten Landedelmanns, der von der Lektüre romantischer Ritterromane so verwirrt ist, dass er sich selbst für einen edlen Krieger hält und zum Beispiel gegen Windmühlenflügel anrennt, weil er in ihnen Riesen zu

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