Kunden lesen
offen gestanden nicht oft. Und das liegt gar nicht an mangelndem Interesse, sondern eher daran, dass ihm gerade noch eine wundervolle Erinnerung in den Sinn kommt, von der er noch kurz berichten möchte, bevor er sich dann – ganz bestimmt – den Ausführungen seines Gesprächspartners widmen wird.
Besonders interessant ist es für den aufmerksamen Zeitgenossen, einen Erzähler beim Lösen eines persönlichen oder beruflichen Problems zu unterstützen. Das läuft häufig so ab: Der Erzähler schildert seinem Gesprächspartner, dass er sich zum Beispiel über das Verhalten eines anderen Menschen geärgert hat. Die nächste Viertelstunde widmet er der ausführlichen und sehr emotionsgeladenen Erzählung, was an dem Verhalten falsch war, wie er sich genau vor der Situation, in der Situation und nach der Situation gefühlt hat, was er gerade jetzt darüber denkt und fühlt und was er glaubt, wie es weitergeht. Es ist ihm dabei schon wichtig, dass sein Gesprächspartner ab und an zustimmend nickt und ihn mit »Ooohs«, »Nein echt?« und mit einem ab und zu eingestreuten »Das kann ja wohl nicht wahr sein!« zu weiteren Ausführungen anfeuert. Und dann, ganz unvermittelt, sagt der Erzähler: »Vielen Dank, dass Sie mir so sehr geholfen haben, dass ich endlich die richtige Lösung für mein Problem gefunden habe.«
Dabei hat sein Gesprächspartner in der ganzen Zeit kaum ein Wort gesagt, geschweige denn einen Lösungsvorschlag unterbreitet. Aber das war auch gar nicht nötig, denn das Reden hilft dem Erzähler dabei, seine eigenen Gedanken zu sortieren. Er denkt sozusagen beim Sprechen. Sein Gegenüber braucht er nur als Sparringspartner.
Der Verkäufer kann sich auf diesen Kunden wirklich freuen, denn dieser löst seine Probleme ganz allein – solange er genügend Zeit mit dem Verkäufer in einem Raum verbringen darf und in ihm einen aufmerksamen Zuhörer findet.
3-Sekunden-Scan: So erkennen Sie den Erzähler
An seiner deutlich sichtbaren, vollen Oberlippe erkennen Sie den Erzähler, noch bevor er den Mund aufmacht. Er redet lieber als zu schweigen, vor allen Dingen über seine Gefühle. Auch auf die Gefahr hin, dass hier ein Klischee bedient wird: Volle Oberlippen sind für viele Frauen ein Schönheitsideal – und bei den meisten Kaffeekränzchen – heute eher After-Work-Party genannt – bei denen intensiv geplaudert wird, sitzen nun mal vor allem Frauen zusammen … Was nicht bedeuten soll, dass es nicht auch männliche Plaudertaschen gibt.
1. »Ach übrigens ...«
Machen wir uns nichts vor: Der Erzähler nimmt dem Verkäufer in jeder Hinsicht das Heft aus der Hand. Er bestimmt das Tempo, den Verlauf und den Zeitpunkt des Verkaufsabschlusses ganz allein. Bis es so weit ist, bedient er sich eines schier unerschöpflichen Themenvorrats. Privates vermischt sich mit Geschäftlichem, persönlichste Erlebnisse werden vor dem Verkäufer ausgebreitet. Das, was andere Menschen mit sich im Kopf ausmachen, das breitet dieser Kundentyp direkt vor ihnen aus. Und zwar ganz nach dem Motto: nur keine Hemmungen! Das kann sich für den Verkäufer schon mal so anfühlen, als säße er in einem Redekarussell und würde herumgeschleudert. Kein Wunder, wenn er bei diesem wilden Ritt sein eigenes Produkt aus den Augen verliert und zwischendurch zu zweifeln beginnt, ob er von diesem speziellen Kunden überhaupt noch als Verkäufer wahrgenommen wird.
Dies ist die Klippe, die es zu umschiffen gilt: So nett der Verkäufer diesen Kunden finden mag, seine Aufgabe bleibt es, ihm etwas zu verkaufen. Dazu darf er das Gespräch immer wieder auf den Verkaufsgegenstand zurückzuführen. Aber das ist beim Erzähler eine Herausforderung. Jede Unterbrechung pariert dieser mit einem »Oooch, das will ich Ihnen schnell zu Ende erzählen ...« oder »Stellen Sie sich vor, was ich letzte Woche noch erlebt habe ...«. Sich in einem Verkaufsgespräch mit ihm um das Gesprächsruder zu streiten, ist aussichtslos. An Bord des Erzähldampfers ist der Kunde der Kapitän. Und der Verkäufer kann als Lotse hier und da mal einen guten Tipp geben und damit das Schiff allmählich in den sicheren Abschlusshafen lenken.
Bauen Sie Brücken
Das Erfolgsprinzip für den Umgang mit dem Erzähler lautet: Zuhören belebt das Geschäft! Fordern Sie Ihren Kunden erst gar nicht zum Rededuell heraus. Der Erzähler würde nur umso mehr das Gespräch an sich reißen. Machen Sie Ihrem Kunden stattdessen das eine große Geschenk, das er sich wünscht: Aufmerksamkeit. So
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