Kunden lesen
nicht weiß, wo sie das alles unterbringen soll. Aber Tino hat auch für solche Fälle die richtige Lösung: »Unsere Produkte sind perfekt stapelbar, und schauen Sie hier, diese fünf Schüsseln lassen sich wie eine russische Puppe in einanderstellen und dafür brauchen Sie wirklich kaum mehr Platz im Küchenschrank.«
Mit diesem Argument lassen sich alle überzeugen – bis auf eine: Anna Pfefferle sitzt vor ihrem leeren Bestellbogen. Sie reicht die angebotenen Muster zügig weiter und wirft meist auch nur einen flüchtigen Blick darauf. Als Tino das bemerkt, beginnt er sich mehr und mehr auf diese Kundin zu konzentrieren. »Also dieses Schüsselset ist gerade im Angebot, und Sie bekommen fünf statt drei, wenn Sie nur zehn Euro drauflegen. Allerdings gilt dieses Angebot nur diesen Monat. Seien wir mal ehrlich«, und jetzt blickt Tino ihr direkt in die Augen, »solch ein Schüssel-Set braucht jeder Haushalt. Wie ist es denn mit Ihnen, haben Sie schon so was zu Hause?« Anna Pfefferle antwortet freundlich, aber bestimmt: »Nein, daran habe ich überhaupt keinen Bedarf.«
»Oh, eine Widerspenstige« denkt sich Tino. »Die knack ich auch noch.« So geht es Produkt für Produkt weiter, Tino kocht Reis, schleudert Salat trocken, zerkleinert einen Berg Zwiebeln und Paprika in Windeseile. Doch jedes Mal, wenn er das dazugehörige Produkt speziell Anna empfiehlt, lehnt diese ab. So geht das Runde um Runde weiter. Der Pfannenwender – nein, der Eierschneider – nein, die neue Brotbackform – nein, die schon gar nicht, und auch nicht die Käseglocke mit Spezialklimatronic – absolut geruchsfrei, versteht sich. Tino ist nun wirklich kein Mensch, der leicht aufgibt, aber an Anna scheint er zu verzweifeln.
Als die Präsentation zu Ende ist und all die verschiedenen Produkte im Wohn- und Esszimmer der Gastgeberin ausgebreitet sind, geht Anna dann allerdings schnurstracks auf die Pausenbrotdose zu. Tino wittert seine große Chance und gesellt sich sofort zur Kundin, die auch gleich eine Frage zum Produkt hat: »Wissen Sie, meine beiden Töchter bekommen immer ein Pausenbrot und etwas Obst mit in die Schule. Was ich suche, ist eine mittelgroße Pausenbrotbox mit einer Trennwand, damit das Brot nicht feucht wird und die Kinder es auch appetitlich finden.«
»Brotdosen, ja, da haben wir diese beiden hier«, erklärt Tino siegesgewiss. »Die ist etwas kleiner und das hier ist das große Modell. Das rate ich Ihnen, da passen das Obst und das Pausenbrot locker zusammen rein.«
»Ja, aber die kleine hat gar keine Trennwand und die große ist viel zu riesig für einen kleinen Schulranzen«, meint Anna und stellt die Dosen wieder zurück.
»Das ist gar kein Problem, dann nehmen Sie am besten zwei kleine Döschen aus einer anderen Serie und damit sind Brot und Obst ganz sicher getrennt«, erklärt Tino und deutet auf einen Berg von Vorratsbehältern. Doch die Kundin bleibt unwillig: »Nein, das möchte ich auf keinen Fall, ich glaube, Sie haben einfach nicht das Richtige im Angebot für mich. Ich gucke mich anderweitig um, danke.«
Tino fällt es schwer, seine Enttäuschung zu verbergen. Jetzt hat er schon so viele Schüsselchen und Döschen im Sortiment und trotzdem kann er diese Kundin nicht überzeugen. Dabei hat er ihr so eine gute Alternative angeboten. Warum nur hat diese Kundin sich so wenig für seine Vorschläge interessiert?
Schmal oder breit?
Manche Menschen geben immer den Ton an. Egal wo sie sind, werden sie von allen als Autorität anerkannt – auch in der Verkaufssituation. Andere hingegen bleiben eher erst einmal im Hintergrund und beugen sich auch schon mal der Meinung eines anderen, wenn sie ihn als Autoritätsperson anerkennen. Verkäufer, die beide Kundentypen auf dieselbe Art und Weise betreuen, kommen nicht weit. Zwar ist das Verkaufen auch als die Kunst der Verführung bekannt, doch zum Kauf verführen kann der Verkäufer den Kunden am besten, wenn er versteht, ob dieser Handlungsanweisungen und Vorschläge von ihm annimmt oder ob er sich besser zurückhalten soll.
Was die beste Strategie ist, darüber gibt die Breite des Unterkiefers Auskunft. Mal ist dieser ausladend wie bei dem Kragen eines Königs, der damit seine Autorität unterstreicht, und mal ist der Kiefer so schmal wie bei einer Gazelle, die eher ein zurückhaltendes Tier ist.
Schmaler Kieferknochen – der Zurückhaltende
Sie sind eher schüchtern, selten Anführer und nehmen auch gerne mal den Vorschlag eines anderen Menschen an – so
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