Kunden lesen
kurzes: »Ja, schon.« Er ist ein recht gelassener Zeitgenosse, was er hier gerade erlebt, lässt ihn allerdings langsam unruhig werden. Am schlimmsten ist, dass er nicht so recht versteht, warum dieser Verkäufer ihm all diese Informationen gibt. Es scheint so gar keinen Sinn zu machen. Innerlich schmunzelt Florian über den nächsten Gedanken, der ihm dazu in den Kopf kommt: »Ich sollte auf jeden Fall freundlich weiterlächeln, denn falls dies eine Aufzeichnung der Sendung Versteckte Kamera ist, wäre es schon blöd, wenn ich hinterher als Muffelkopp im Fernsehen rüberkomme.« Insgeheim merkt er, nachdem Paul Plauter ihn auf ein kleines grell-orange gestrichenes Gerätehaus aufmerksam macht, dass er innerlich schon bei der Siedetemperatur angekommen ist. Deshalb hört sich sein nächster Versuch, aufs Thema zurückzukommen, auch schon etwas gepresst an: »Also wissen Sie, mich interessiert, wie bereits gesagt, ein Gartenholzhaus, dass mindestens vier auf vier Meter groß ist, vorn eine Veranda hat zum Sitzen und Grillen und eventuell auf der Rückseite noch zusätzliche Staufläche für den Rasenmäher und die Gartengeräte.«
Paul Plauter lenkt auch sofort ein »Ja, da stehen wir ja direkt davor, das sind die drei Modelle, die wir haben. Schauen Sie sich die doch mal in Ruhe an.« Florian atmet erleichtert auf, vor allem das Wort Ruhe bringt ihm neue Hoffnung. Doch zu früh gefreut, Paul Plauter nutzt die entstehenden Denkpausen und die Stille der Beobachtung galant für weitere Berichte. Von der Bürgermeisterwahl, die nächste Woche ansteht, über das Kirschblütenfest im anderen Ort, über die Preise von Brennholz bis zu den jüngsten Erlebnissen seines Freundes, der beim ADAC-Pannendienst arbeitet. Florian resigniert: Auch wenn er wirklich gewillt war, das Gartenhaus hier zu kaufen, was zu viel ist, ist zu viel. Vor allem versteht er nicht, was all diese Themen miteinander zu tun haben. Und nachdem er sich inzwischen absolut sicher ist, dass nirgendwo eine Kamera versteckt ist, bedankt er sich förmlich bei dem Verkäufer und zieht von dannen. Paul Plauter bleibt völlig enttäuscht zurück, so schönes Wetter, so ein netter Kunde – und dann das.
Glatt oder Falte?
Einem anderen Menschen zuzuhören ist immer eine Frage der Konzentration, und für Verkäufer bedeutet dies, dass sie praktisch den ganzen Tag mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache sein müssen. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass manche Kunden reden wie ein Wasserfall, während andere dem Verkäufer einen einzigen oder maximal zwei wohlgeformte Sätze mit auf den Weg geben. Während also bei dem einen Kunden in der kommenden Viertelstunde des Gesprächs genügend Raum bleibt, noch einmal nachzufragen, den Wunsch zu spezifizieren und das Bedürfnis allmählich so genau herauszuschälen, dass man diesen Kundenwunsch auch wirklich befriedigen kann, ist der Umgang mit den anderen allerhöchste Präzisionsarbeit. Denn sie reden nicht ein einziges Wort zu viel, alles hat Bedeutung und sie erwarten von ihren Mitmenschen – und das bedeutet natürlich insbesondere von einem richtig guten Verkäufer –, dass sie auch jedes ihrer Worte zu schätzen wissen. Was sie am meisten stört, sind Wiederholungen. Für den Verkäufer ist es also sehr angenehm zu wissen, was er von seinem nächsten Kunden zu erwarten hat. In diesem Fall gibt die Falte, die von den Nasenflügeln auf beiden Seiten abwärts hinunter zu den Mundwinkeln führt, Auskunft. Sie heißt in der Fachsprache Nasolabialfalte. Ob sie vorhanden ist oder nicht, macht für das Verkaufsgespräch einen deutlichen Unterschied.
Ohne Nasolabialfalte – der Talkmaster
So wie Tarzan sich von Liane zu Liane schwingt, so gibt es Menschen, die beim Reden von Thema zu Thema federn, ohne jemals den Boden zu berühren. Die Sätze sprudeln unaufhörlich dahin, Wiederholungen gehören dazu und Pausen sind so gut wie ausgeschlossen. Sie finden einfach in jeder Situation ohne viel Überlegung ein Thema, über das sie erzählen können. Keine Frage: Smalltalk ist für diese Personen eine ganz große Sache. Sie sind wahre Meister des Redeflusses, richtige »Talkmaster«.
Der Talkmaster hat diese Art des Sprechens zu einer wahren Kunstform weiterentwickelt. Seine auf Ausdauer trainierte Stimme pflegt er mit Übung und Raffinesse. Den so kultivierten Sprechgesang setzt er bei jedem Gespräch in allen nur denkbaren Facetten ein. Auf die Mitmenschen wirkt der Sprachfluss des Talkmasters zunächst
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