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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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schweren Hanteln synchrone Bizepsbeugen, Henrys rechter Arm zeitgleich mit
Starblinds linkem, Starblinds rechter mit Henrys linkem, als schauten sie beide
in einen Spiegel. Starblinds Blick schnellte hinab, um Henrys blutprallen
Bizeps zu begutachten, als wären es seine eigenen. Reflexhaft tat Henry
dasselbe.
    Der kleine Loondorf ächzte, drehte und wendete sich auf der flachen
Bank. Izzy schwebte über ihm und brüllte: »Komm schon, Phil! Nimm den Schmerz
an, vendejo .
Der Schmerz ist Gas!«
    »Der Schmerz ist wie ein Gas«, verbesserte ihn
Schwartz. Von einem metallenen Klappstuhl aus beaufsichtigte er das Ganze, eine
Zeitung auf dem Schoß und auf beiden Knien Eiswürfelbeutel, die in Handtücher
eingeschlagen waren. »Es füllt den Raum komplett aus, den du ihm gibst. Wir
sollten also vor Schmerzen keine Angst haben. Viel davon tut nicht mehr weh
oder beansprucht mehr psychischen Raum als nur ein bisschen. Viktor Frankl.«
    »Komm schon, vendejo ! Der Schmerz ist wie ein Gas!«
    Henry und Starblind
machten ihre hundertste Bizepsbeuge. Die Hanteln fielen ihnen aus den
geschwächten Händen und prallten vom gummierten Boden ab. »Auf zur Aschenbahn«,
sagte Henry.
    Starblind fuhr sich mit
einer schweißnassen Hand durchs Haar. »Jetzt? Du hast sie doch nicht alle.«
    »Auf geht’s.«
    Starblind seufzte
seinen Seufzer – den langen, entnervten Seufzer eines Schwerbeladenen, so als
existierten andere Menschen überhaupt nur, um ihm auf die Nerven zu gehen. So
als hätte er nicht mit Anna Veeli, dem zweitschärfsten Mädchen der Schule, Schluss
gemacht, um mit dem schärfsten, Cicely Krum, auszugehen. Sie gingen zur Tür.
    Die Aschenbahn war
leer. Am violetten Himmel hing ein früher Mond. »Dreißig Meter«, sagte Henry.
    »Wie oft?«
    »Zwanzig Mal.«
    »Das ist verrückt. Ich
muss die Woche noch werfen.«
    »Okay, fünfundzwanzig
Mal.«
    »Was auch immer da in
deinem Arsch steckt«, sagte Starblind, »lass es stecken.«
    Sie rannten los, hinein
in den Dämmer. Den ersten Sprint gewann Starblind spielend. Er hatte
Läuferqualitäten, einen Extragang, den er einlegen konnte. Der
Leichtathletiktrainer bekniete ihn ständig, bei wichtigen Wettkämpfen
mitzulaufen, selbst ohne Training. Sie gingen vor zu den nächsten
Bahnmarkierungen und rannten wieder los.
    »Zwo-Null«, sagte
Starblind.
    Henry nickte. Noch nie
hatte er Starblind bei einem ihrer vielen Wettläufe geschlagen, egal ob bei den
Stadiontreppen, hier auf der Bahn oder im tiefsten Winter Seite an Seite auf
nebeneinanderstehenden Laufbändern, auf denen ihre Turnschuhe immer schneller
über das ausfasernde Gummigewebe trabten, während die Motoren ächzten und
stöhnten und sie mit zittrigen Fingern nach den Knöpfen stachen, mit denen sich
die Geschwindigkeit noch um Bruchteile erhöhen ließ, und der Schweiß durch den
Raum flog wie Wasser von einem nassen Hund.
    Starblind gewann auch
die nächsten zwei, wobei er auf den letzten fünfzehn Metern jedes Mal eine
beträchtliche Lücke entstehen ließ. »Wie sehen meine Schuhsohlen aus?«, fragte
er. »Sauber?«
    Henry knurrte. Sicher,
er hatte Starblind noch nie geschlagen – aber einen richtigen Wettkampf hatten
sie seit langem nicht mehr ausgetragen. Und er war besser in Form als jemals
zuvor. »Vier«, sagte er.
    Starblind gewann den
fünften, sechsten und siebten. Henry hing ihm jeweils an der Schulter wie ein
böser Engel. Als sie für Nummer acht zur Startmarkierung gingen, schnappte
Starblind nach Luft, und sein Brustkorb hob und senkte sich heftig. Henry hielt
seine Atmung ruhig und flach: Verbirg deine Schwäche, nutze deinen Vorteil.
Wenn er Starblind schlagen wollte, dann nicht mit Geschwindigkeit. Er würde
seinen Willen brechen müssen.
    Beim achten ging er
zunächst in Führung, doch dann rauschte Starblind an ihm vorbei. Wichser, dachte Henry. Am liebsten hätte er Starblind am
Kragen seines silbrig glänzenden Hemds gepackt und ihn zurückgerissen, ihn zu
Boden geschleudert und auf seinen Brustkorb getreten. Einen besonderen Grund,
auf Starblind wütend zu sein, hatte er nicht, aber er wollte wehtun , irgendjemandem wehtun, und Starblind war nun einmal
hier und flehte förmlich darum.
    »Wo stehen wir?«,
fragte Starblind, als wüsste er nicht genau Bescheid.
    »Acht.«
    »Schon?«
    Seite an Seite flogen
sie die Bahn entlang, ihre dreschenden Beine ließen sie aussehen wie ein
grobmotorisches vierläufiges Monster. »Unentschieden«, sagte Henry knapp.
    »Was? Na gut.
Unentschieden.« Man

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