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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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mit der Arbeit den Preis der
geschichtswissenschaftlichen Fakultät gewinnen.
    Er benutzte die Studentenkarte, um die Tür zu Duane Jenkins’ Büro zu
öffnen. Dort stand ein schneller und guter Drucker, der für Handzettel, Poster
und Pressemitteilungen genutzt wurde. Schwartz legte das edle Papier mit dem
Wasserzeichen ein, schloss den Laptop an und startete den Druckauftrag für die
Rohfassung, gesetzt in zwölf Punkt Courier, der offiziellen Schrift aller
Sport-Idioten.
    Während die
Courier-bedeckten Seiten durch die Maschine haspelten und in dreifacher
Ausfertigung ins Ausgabefach fielen, nahm er den Hörer von Jenkins’ Telefon ab.
    »Skrimmer«, sagte er.
»Warum bist du nicht im Seminar?«
    »Wieso rufst du an«,
konterte Henry, »wenn ich eigentlich im Seminar sein müsste?«
    »Es gibt Freitage,
Skrim …« Gott, er war die eigene Masche so leid.
    »… aber keine freien
Tage. Weiß schon.« Henry klang genervt. Auch er war es leid. Schwartz konnte
sich nicht erinnern, dass er jemals eine Stunde hatte ausfallen lassen. Er hatte
vorgehabt, das Thema Panikattacke anzusprechen, aber die Distanz zwischen ihnen
erschien ihm zu groß. »Geht’s dir besser?«
    »Mir geht’s gut«, sagte
Henry. Was Teil des Problems war: Henry ging es immer gut. Grundsätzlich fand
Schwartz diese Einstellung richtig – sag, dass es dir gut geht, und es geht dir
gut. Deshalb war Henry ja so ein perfekter Schüler. Jetzt allerdings war gar
nichts gut. Pella hatte womöglich recht, er brauchte einen Therapeuten, aber
dafür war jetzt ohnehin keine Zeit mehr. Vierundzwanzig Stunden bis zum Spiel
gegen die Muskies aus Coshwale, vierundzwanzig Stunden bis zum
Henry-Skrimshander-Tag.
    »Komm in zehn Minuten
ins VAC «, sagte er. »Du brauchst dich nicht umzuziehen.«
    Auf einem Regal in seinem Büro bewahrte Schwartz eine lange Reihe
von DVD s auf, die Henry beim Schlagtraining
zeigten. Beschriftet und in chronologischer Reihenfolge aufgestellt,
dokumentierten sie Henrys Fortschritt als Schlagmann unter Schwartz’ Ägide
lückenlos, Woche um Woche fleißigen Übens, von seiner Saison als Neuling bis
jetzt. Gemeinsam hatten sie zusammen Hunderte von Stunden damit verbracht,
diese Aufnahmen anzusehen, hatten dabei Henrys Bewegungsablauf beim Schlagen
Standbild für Standbild auseinandergenommen und neu wieder zusammengesetzt.
Besaß man die nötige Ausrüstung und ausreichend Zeit zum Totschlagen, konnte
man von jedem Tag ein Bild nehmen und diese Bilder in chronologischer
Reihenfolge montieren, sodass der Henry, der auf den Wurf wartete, dürr und
unbeholfen war, sein Schläger ängstlich über dem rechten knochigen Ellbogen
schwebend, während der Henry, der den Schlag schließlich ausführte, mit derart
kraftvoller Bestimmtheit durchzog, dass das obere Ende des Schlägers um ihn
herumschwang und ihn zwischen den Schulterblättern traf, ein Henry, der wie aus
Stein gemeißelt wirkte und wild entschlossen war, den Blick voller Härte und
die Locken auf militärische anderthalb Zentimeter gestutzt. Wie ein
Baseballspieler entsteht: einem Naturtalent zu brutaler Effizienz verhelfen.
    Für Schwartz lag hier das zentrale Paradox von Baseball oder
Football oder jedem anderen Sport. Man liebte ihn, weil man ihn für eine
Kunstform hielt: ein auf den ersten Blick sinnloses Unterfangen, das Leute mit
einer speziellen Begabung betrieben, das sich jedem Versuch, den eigenen Wert
in Worte zu fassen, verwehrte und trotz allem auf eine Weise irgendetwas Wahres
oder gar Entscheidendes über das Menschsein an sich zum Ausdruck zu bringen
schien. Wenn man Menschsein grob so fassen wollte, dass wir alle am Leben waren
und so etwas wie Schönheit kannten, sie mitunter gar selbst hervorbrachten, bis
wir eines Tages starben und Schluss damit war.
    Baseball war eine
Kunst, doch um es darin zur Meisterschaft zu bringen, musste man sich in eine
Maschine verwandeln. Es spielte keine Rolle, wie schön man ab
und zu spielte, was man an seinem besten Tag leistete oder wie viele
spektakuläre Punkte man machte. Man war kein Maler oder Schriftsteller –
arbeitete nicht im Verborgenen und konnte seine misslungenen Stücke verwerfen,
und es waren längst nicht nur die Meisterwerke, die zählten. Für eine Maschine
zählte Wiederholbarkeit. Momente der Inspiration waren nichts verglichen mit
der vollständigen Eliminierung von Fehlern. Die Scouts interessierten sich
nicht für Henrys übermenschliche Anmut, und falls doch, waren sie
kompromittierbare Ästheten

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