Kunst des Feldspiels
darüber
reden.«
»Lass uns lieber jetzt
darüber reden. Hier ist mein Standpunkt. Ich bin erwachsen. Ich schlafe, wo es
mir passt.«
Ihr Vater sah sie an.
Ganz offenkundig hatte sie bereits seine Gefühle verletzt, nicht zuletzt mit
der Andeutung, dass sie ihn für einen verkappten Rassisten hielt. Aber noch
immer stoben die Funken vor ihren Augen.
»Jetzt kommt dein
Standpunkt.«
»Pella, bitte –«
»Ich helf dir auf die
Sprünge. Du hältst mich für respektlos. Du denkst, dass ich mich, nur weil ich
hier wohne und keine Miete zahle, an die Regeln zu halten habe, an die ich mich
als Kind zu halten hatte. Du hältst mich für ein Kind, obwohl ich seit vier
Jahren verheiratet bin.«
Affenlight inspizierte
den Bodensatz in seiner Espressotasse. Im Raum war es still. Dann hörte der
Kühlschrank auf zu summen, und es wurde noch stiller. »Siehst du?«, sagte
Pella. »Macht doch Spaß, oder?«
Ihr Vater schloss die
langen Finger um die Tasse und ließ sie verschwinden, eine Art
Taschenspielertrick, der unheilvoll wirkte. Mit seinen tiefgrauen Augen sah er
sie traurig an. »Pella«, sagte er. »Ich liebe dich. Wenn du meinen Rat willst,
was offenbar nicht der Fall ist, würde ich dir raten, dich nicht überhastet in
die nächste Beziehung zu stürzen. Gönn dir eine kleine Auszeit von den Männern.«
»Der ganze Campus ist
voller Männer.« Das Ich liebe dich hatte seine
Wirkung nicht verfehlt, hatte die Bitterkeit aus ihrer Stimme gewaschen. »Total
durchgeknallter Männer.«
Ihr Vater lächelte.
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
Das Eis ließ ihren
Zeige- und Ringfinger taub werden. »Mike und ich haben uns getrennt.«
»Das tut mir leid.«
»Außerdem kommt David
morgen. Heute, meine ich.«
»David?« Affenlight
erstarrte auf seinem Stuhl, als hätte er einen Einbrecher gehört.
»Er behauptet,
geschäftlich in Chicago zu sein. Was ich ihm nicht abnehme. Er war vorher noch
nie geschäftlich in Chicago. Aber er weiß, dass ich hier bin, und will
herkommen, und ich habe ihm gesagt, dass ich das für keine gute Idee halte,
aber er hat darauf bestanden. Er wird also ein Auto mieten und herfahren.
Heute. Und wenn er wieder wegfährt, werde ich ihn das letzte Mal gesehen
haben.«
»Okay«, sagte
Affenlight.
»Und ich brauche deine
Hilfe, um das durchzustehen. In Ordnung?«
Affenlight nickte.
»Natürlich.«
Pella schob ihren Stuhl
zurück, nahm ihren schmelzenden Eisbeutel und küsste ihren Vater auf die
Schläfe. »Tut mir leid, dass ich so fies bin.«
»Du bist nicht fies«, sagte er. »Im Badezimmer
ist Advil.«
Sie schluckte ein paar
Advil und wusch sich mit einer Hand das Gesicht. Dann ging sie ins Gästezimmer
und zog sich langsam und unbeholfen aus, streifte den Ärmel ihres Sweatshirts
Stück für Stück über den lädierten Finger. Wenigstens musste sie sich nicht aus
einem T-Shirt oder BH schälen – das war die Belohnung dafür, beides bei Mike vergessen zu
haben. Wo Schatten ist, da ist auch Licht, richtig? Sie musste in einer Stunde
aufstehen, zumindest aber würde sie keine Probleme mit dem Einschlafen haben.
Noch mehr Licht.
Sie ging zum Fenster,
um die Vorhänge zuzuziehen. Die Dämmerung stand kurz bevor. Zunächst glaubte
sie, der Hof sei leer, doch dann fiel eine Gestalt vom Ast eines Baumes und
landete flach in der Hocke, die Knie ausgestellt. Kaum vorstellbar, dass er
noch immer da draußen war, aber er war es. Er schlackerte mit den Handgelenken,
schüttelte sich den Schmerz oder die Anspannung aus den Armen. Er lief fünfmal
im Uhrzeigersinn um den Baumstamm herum und dann fünfmal in der
entgegengesetzten Richtung. Er klatschte einmal in die Hände, sprang dann hoch
und umklammerte wieder den Ast.
36
—
Kurz nach Sonnenaufgang und mit acht Dosen Schlitz intus
lief Schwartz unter tief hängenden Wolken hinüber zum VAC und fühlte sich weder betrunken noch nüchtern. Er fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf
in sein Büro und schloss den Schrank auf, in dem die marineblauen Mappen und
Packen teuren Briefpapiers mit Wasserzeichen lagerten, die er im September
gekauft hatte. Der Konferenztisch glich einem Schlachtfeld, über und über
bedeckt mit Kaffeebechern voller Tabaksaft, den Verpackungen von Proteinriegeln
und Karteikarten mit Hunderten möglicher Zitate und Redewendungen, die er nie
gebraucht hatte. Er hatte die Einleitung nicht fertig, geschweige denn die
Bibliographie. Im Dezember hatte ihm sein Betreuer nach Ansicht seiner
Recherche und Gliederung versichert, er werde
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