Kunst des Feldspiels
seinen Beistand brauchen würde, aber Affenlight war nicht klar gewesen,
dass das beinhalten würde, mit ihm zu Abend zu essen. Nicht dass er etwas
dagegen hatte. Wenn Pella ihn als Puffer dabeihaben wollte, war er gern dazu
bereit. Es schmeichelte ihm und war ein Zeichen der Hoffnung.
»Uns«, sagte Pella.
»Meinen Vater und mich.«
»Bella.« David fing an, in beleidigtem Tonfall
leise auf sie einzureden, mit dem Ziel, Affenlight wieder auszuladen. »Also
wirklich, ich meine –«
Affenlights Blick
schweifte hinaus auf den Hof, und durch den abnehmenden Regen hindurch sah er,
dass in den beiden Gaubenfenstern von Phumber 405 Licht brannte.
Es war jemand da, vielleicht Henry – dann aber erschien die unverwechselbar
schlanke Silhouette im Gegenlicht, schob beidhändig eines der Fenster hoch und
beugte sich mit prüfendem Blick hinaus in den Hof. Er verschwand im Zimmer und
tauchte mit zwei kleinen, länglichen Gegenständen zwischen den Fingern wieder
auf. Den einen steckte er sich zwischen die Lippen, den anderen ließ er hinter
vorgehaltener Hand aufflammen und brachte damit die Spitze des ersteren dazu,
orange zu erglühen. Und über den dämmerigen Hof gelehnt, die Ellbogen auf dem
Fenstersims, rauchte Owen seinen Joint. Ihn dort zu sehen machte Affenlight
unendlich traurig. Nicht nur, weil Owen nicht gekommen war, sondern weil er so
zufrieden und unabhängig aussah, wie er da lehnte und rauchte und seine
Gedanken dachte, so wenig auf Hilfe oder Gesellschaft angewiesen wie ein
friedlich äsendes Tier in der Wildnis. Affenlight kam sich nicht nur
überflüssig vor, sondern im Angesicht solcher in sich ruhender Ganzheit und
heiterer Gelassenheit zudem rettungslos aufgewühlt bis in die Tiefen seiner
Seele. Er brauchte Owen, aber Owen – ganz bei sich oder zumindest nie mehr als
eine Jointlänge von sich entfernt – würde ihn niemals brauchen.
40
—
David ging ins Hotel und Pella nach oben, um sich
umzuziehen. Affenlight wählte die fünf Ziffern für ein Campus-Gespräch. Es
klingelte ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Owen mochte unter der Dusche gestanden
haben – doch nein, da ging sein Schatten an der Lampe vorüber.
Vier Mal. Fünf Mal. Der Anrufbeantworter sprang an.
Vielleicht war er ein
furchtbarer Liebhaber gewesen. Ihm war gesagt worden, er sei ein guter
Liebhaber, oder, von seinen englischen Gespielinnen, von denen es eine Reihe
gegeben hatte – der Frauenhandel zwischen den beiden Cambridges florierte – ein
brillanter. Die Engländerinnen hatten sich damals immer von ihm weggerollt und
geseufzt: Brillant! Aber jetzt war er älter. Und
diese Frauen, ob sie nun Engländerinnen, Amerikanerinnen oder was auch immer
waren, waren alle Frauen – es war nicht selbstverständlich, dass sich die
Fähigkeiten übertragen ließen. Ein guter Freund war nicht zwangsläufig ein
guter Vater, ein guter Professor gab nicht unbedingt einen guten
College-Präsidenten ab, und jemand, der sich auf Oralsex mit Frauen verstand,
konnte sich nicht zwangsläufig einfach umdrehen und zu blasen anfangen, ohne
sich einer Lernkurve zu unterwerfen.
Oje.
Affenlight hörte sich
die Ansage bis zum Schluss an, nur um dem Klang von Owens aufgezeichneter
ironischer, sanfter Stimme zu lauschen, konnte aber keine Nachricht
hinterlassen. Zum einen würde es lächerlich wirken, bereits nach einem Tag
Abwesenheit hinter Owen herzurennen – und was, wenn Henry statt Owen die
Nachricht abhörte? Warum, warum nur hatte er Owens Handynummer nicht? Dass sie
nicht per Handy kommunizierten, weder einfach quatschten oder sich
Textnachrichten schrieben, lag rein rational betrachtet daran, dass das nicht
nötig war, da sie keine fünfzig Meter voneinander entfernt wohnten und sich
fünf Tage die Woche sahen, andererseits jedoch taten die Studenten kaum etwas
anderes außer zu quatschen und sich zu schreiben, ja Textnachrichten waren
sogar die gängigste Form von Intimität, und die Tatsache, Owen noch nie eine
Nachricht geschrieben oder eine von ihm erhalten zu haben, seine Nummer nicht
zu kennen, und sei es nur für den Notfall, nicht dass diess einer gewesen wäre,
schien mit einem Mal einen tiefen Graben zwischen ihnen entstehen zu lassen.
Niedergeschlagen legte Affenlight auf. Wieder ging der Schatten an der Lampe
vorüber.
Er verließ das Büro und
ging in den Hof. Halb in ängstlichen Gedanken verloren, sich seiner Tat kaum
bewusst, betrat er die Phumber Hall und stieg die Treppe hinauf, just zur
Essenszeit, wenn das Kommen und
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