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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Gehen in den Wohnheimen am stärksten war. Im
Treppenhaus begegnete er Gott sei Dank niemandem, und er kam auch an keinen
offen stehenden Türen vorbei, aus denen nachbarschaftliches Hallo drang;
allerdings hätte wirklich jeder sehen können, wie er den Hof überquerte und
hineinschlüpfte.
    »Guert«, sagte Owen, als
er die Tür öffnete. Seine Augen waren glasig vom Marihuana, doch er wirkte auch
erschreckt oder überrascht. Affenlight realisierte, wie waghalsig es war,
hierherzukommen, und nicht nur, weil er gesehen werden konnte. In seinem Büro
hielt er zumindest den Anschein oder die Illusion von Kontrolle über die
Situation aufrecht. Hier nicht. Hier war er dazu verdammt, vollständig absurd
zu wirken. Daran, wie alt und unfit er wohl im harten Licht dieses
Vordiplomandenflurs wirkte, wollte er gar nicht erst denken. »Hi«, sagte er.
    »Wie geht’s dir?«
    »Alles okay.« Im
Stockwerk darunter ging eine Tür auf und zu. Weibliches Schuhwerk klapperte
flink die Stufen hinab. »Kann ich reinkommen?, fragte Affenlight. »Es wäre
recht unangenehm, wenn mich jemand …«
    »Sicher.« Owen schloss
die Tür hinter ihm und wies auf den mit rosa Stoff bezogenen Sessel, der über
die imaginäre Mittellinie des Zimmers grätschte, das einzige besondere,
neutrale Möbelstück, das sich zwischen die spiegelbildlichen, von der
Universität bereitgestellten Schreibtische, Betten, Kommoden, Bücherregale und
Kleiderschränke schmiegte. Affenlight blieb stehen, bewunderte die Gemälde an
den Wänden, die kletternden Ranken der an Haken hängenden Pflanzen und die
Sammlung an Weinen und Scotch auf dem Kaminsims. Er konnte riechen, wie Owens
Leben und Gewohnheiten – Gras und nach Ingwer duftende Reinigungsmittel,
Buchbinderleim, harte weiße Seife und die Knoblauchnote seiner Haut – bereits
tief in die Wände und Dielen des Zimmers eingedrungen waren; von Henry allerdings
kaum etwas, bis auf das schwache Bukett geriffelter grauer Socken. Owen hatte
sich ein richtiges Zuhause geschaffen. Affenlights eigene Räumlichkeiten, die
er schon drei Mal so lange bewohnte, rochen im Vergleich dazu nach
Junggesellen-Provisorium. Sein Leben war ein einziges Junggesellen-Provisorium,
Entwurzelung, eine unverbindliche Nacht nach der anderen im kosmischen
Fremdenheim. Es war eben nur vorübergehend. Aber mit Owen zu leben, Owen seine
Welt zu ihrer gemeinsamen machen zu lassen – das wäre es.
    Owen schaltete den
Wasserkocher auf dem gedrungenen Kühlschrank ein und machte sich daran, Tee zu
kochen.
    »Ich habe versucht,
dich anzurufen«, sagte Affenlight. Der Satz bewegte sich irgendwo zwischen
einem Vorwurf und einer Entschuldigung dafür, unangekündigt aufgetaucht zu
sein. »Du bist nicht drangegangen.«
    »Ich bin erst vor ein
paar Minuten nach Hause gekommen.«
    »Ich habe dich am
Fenster gesehen, während ich gewählt habe.«
    Owens Augenbrauen hoben
sich; aufrichtige Verblüffung, hoffte Affenlight. »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    Owen schnippte mit den
Fingern. »Henry.« Er ging zum Telefon, inspizierte das Gerät und drückte auf
einen Knopf. »Er hat den Ton abgestellt. Er kommt nach Hause und will dann
niemanden mehr sprechen. Die Scouts nicht, seine Eltern nicht, nicht einmal
Mike. Beunruhigend.«
    »Hm.« Affenlight wollte
nicht über Henry sprechen, nicht jetzt.
    »Ich war heute beim
Training«, sagte Owen.
    »Wirklich?«
    »Ich spiele morgen
gegen Coshwale mit. Na ja, eigentlich ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass
ich mitspiele, weil ich so lange gefehlt habe, aber ich werde meine
Nadelstreifen tragen und die Bank wärmen. Dr. Collins hat mir heute
Nachmittag grünes Licht gegeben.«
    »Du warst im St.
Anne’s?«, sagte Affenlight. »Ich hätte dich doch fahren können.«
    »Ich hab dich bewusst
nicht gefragt. Ich stehle dir schon genug Zeit. Du musst schließlich eine
Universität leiten.«
    »Ach was.« Affenlights
Knie zitterten, und er sank in den plüschigen rosa Sessel. »Das läuft ganz von
allein.« Ihm dämmerte, dass etwas zu Ende ging, etwas, das begonnen hatte, als
Owen den Irrläufer ins Gesicht bekam, und nun, da er in die Mannschaft
zurückkehrte, endete. Sie hatten ihre Zeit gehabt, die Zeit seiner
Rekonvaleszenz, seiner Auszeit vom Baseball. Ihre zeitlose Zeit. Und diese Zeit
war nun vorbei. Und er war bescheuerterweise hier aufgetaucht, um den Vorgang
noch zu beschleunigen. »Das sind tolle Neuigkeiten«, sagte er. »Dass du grünes
Licht bekommen hast.«
    Owen lächelte sanft.
»Warum guckst du

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