Kunst des Feldspiels
entwickelt.«
»Mmm- hmm .« Owen zeigte auf das Bild, auf eine Stelle direkt
unterhalb der hochgekrempelten Hemdsärmel. »Sieh dir diese Unterarme an.«
»Das ist nur, weil ich
den Lenker halte.« Affenlight konnte nicht umhin, auf die aktuelle Version
dieser Unterarme zu blicken: nicht annähernd so eindrucksvoll.
»Das war dein, was,
viertes Jahr?«
»Drittes.«
»Drittes Jahr. Meine
Güte. Du hast sicher den kompletten Campus in eine Art choreographierte
Gruppenohnmacht sinken lassen. Jungs wie Mädchen.«
»Nicht ganz«, sagte
Affenlight. »Ich war unbeholfen und rückständig. Ein ziemlicher Einzelgänger.«
In Anbetracht dessen, wie selbstbewusst der Junge auf dem Bild
einherstolzierte, klang es wie falsche Bescheidenheit, aber es war die
Wahrheit.
»Na klar.« Owen
blätterte nach hinten, fand aber kein Personenregister. »Gibt’s davon noch
mehr?«
»Ich glaub nicht.«
Owen, begierig nach
mehr, blätterte den Band komplett durch. Dann zog er die Bände von Affenlights
drei übrigen Jahren hervor und stapelte sie auf seinem Schoß. Er amüsierte sich
über Affenlights Football-Bilder, seinen Bürstenschnitt, die Schulterpolster
und engen Hosen, kicherte bei seinem Whitman-Bart, den er sich im Laufe des
vierten Jahres hatte stehen lassen, konnte am Ende aber doch nicht widerstehen
und kehrte zu dem Bild mit dem Fahrrad zurück. Wenn Owen Interesse an etwas
zeigte, meinte Affenlight in den meisten Fällen einen Hauch von Ironie zu
spüren. Jetzt hingegen war Owen offenkundig vollkommen hin und weg. Affenlight
nippte am abkühlenden Kaffee und setzte sich in seinem Spindelstuhl zurecht.
Warum benutzte Owen einen anderen Becher? Warum starrte er Bilder an, wenn der
echte Affenlight ihm genau gegenübersaß? Vielleicht hätte er sich von Owens Oh s und Ah s geschmeichelt fühlen
sollen, stattdessen aber fühlte er sich von dem wie auch immer gearteten
emotionalen Austausch zwischen Owen und dem jungen Mann auf der Buchseite
ausgeschlossen. »Ich wünschte, ich hätte dich damals gekannt«, sagte Owen
wehmütig.
»Statt heute?«
Owen, die Augen auf die
Seite geheftet, streckte die Hand aus und drückte Affenlights Knöchel durch die
Socke hindurch. »Damals und heute«, sagte er.
»Immer.«
»Ich war damals anders.
Vielleicht hättest du mich gar nicht gemocht.«
»Ich hätte dich sicher
sehr gemocht. Was soll man an dir denn nicht mögen können?«
»Ich war damals
anders«, wiederholte Affenlight. Irgendwie war es ihm wichtig, in dem Punkt
verstanden zu werden. Der Junge auf dem Bild unterschied sich nicht bloß durch
kräftigere Unterarme und wehendes Haar von seinem heutigen Ich. Verdammt, er
könnte sich die Haare immer noch so wachsen lassen und würde damit noch mehr
auffallen, weil sie mittlerweile von silbrigen Strähnen durchzogen waren. Aber
es ging nicht um die Haare. »Damals«, sagte er, »war ich nicht ich selbst . Nicht wie jetzt. Ich … ich hätte mich niemals
verlieben können.«
»Logisch.« Owen, noch
immer das Foto betrachtend, streichelte weiterhin unbewusst Affenlights
Knöchel. »Sieh dich an. Warum sollte so jemand es nötig haben, sich zu
verlieben?«
Ja, das war die Frage.
Owen wollte wissen, ob er sich den Band ausborgen könne, um zu sehen, ob sich
das Foto kopieren ließe, und Affenlight blieb kaum etwas anderes übrig als zu
sagen, natürlich, warum nicht, gern. Dann schmusten sie eine Weile, lasen ein
Stück aus King Lear, und Owen verschwand. Und das war der Tag gewesen. Und
jetzt schlugen die Glocken der Kapelle fünf und kein Owen weit und breit. Affenlight
starrte wieder auf die fett gesetzten Einträge des Spielplans, hoffte
vergeblich darauf, dass sich ein weiteres Heimspiel materialisieren würde. Er
schob seinen schweren Stuhl zurück, ging zum Fenster und sah zu Phumber 405 hinauf. Es hatte heftig zu regnen begonnen, ein regelrechter
Frühlingssturm war aufgezogen. Hinter den Gewürzen und verknoteten
Miniaturkakteen, die die Fensterbretter von Owens Zimmer flankierten, konnte
Affenlight keine Bewegung ausmachen. Er riss die Bürotür auf – dann würde er
sich den Kaffee eben selbst machen, auf Owen gepfiffen. Vor ihm im Flur stand,
triefnass, die Faust zum Klopfen erhoben, ein bärtiger Mann, dem Affenlight
noch nie begegnet war, den er vom Foto auf seiner Internetseite allerdings
sofort erkannte.
39
—
Affenlight hasste David nicht, jedenfalls nicht mehr.
Nicht dass er besonders viel für ihn übrig gehabt hätte, aber in den
vergangenen Jahren
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