Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
Vom Netzwerk:
hatte er an niemanden häufiger gedacht als an David,
ausgenommen Pella und Owen, und aus dieser permanenten Aufmerksamkeit war im
Laufe der Zeit eine Art gemäßigter Zuneigung geworden. Vergeben würde er David
nie, aber David war zu einem Teil des Lebens geworden und Affenlight
widerwillig zu der Erkenntnis gelangt, dass David weiterleben würde, egal ob
ihm das nun gefiel oder nicht. Er hatte ihn stets als einen selbstsüchtigen
Schürzenjäger und Borderline-Pädophilen betrachtet; jetzt betrachtete er ihn
als jemanden, mit dem er einfach über Kreuz lag. Beinahe schon als – Gott
bewahre! – Schwiegersohn, wenn auch als einen miserablen.
    Doch selbst Affenlights moralische Entrüstung hatte sich in letzter
Zeit aus offensichtlichen Gründen etwas gemildert. Er selbst hatte sich
Liebesbeziehungen mit Studenten stets streng untersagt, als begehrter
Gruppenleiter-Jungspund ebenso wie als begehrter Professor mit gepflegtem
Äußeren, selbst während der Phase als Berühmtheit auf CNN -Niveau,
als der Harvard
Crimson sein Foto mit DER SCHWARM DER
GEISTESWISSENSCHAFTEN untertitelt hatte. Der Widerstand gegenüber diesen
ständigen, oftmals unverhohlenen Avancen hatte ihm eine sichere Position
verschafft, aus der heraus jemand wie David trefflich zu kritisieren war, ein
erwachsener Mann, der ein verletzliches Mädchen mit übergroßem Herzen verführt
hatte. Was aber konnte Affenlight jetzt sagen? Wie konnte er wissen, dass David
nicht etwas Vergleichbarem erlegen war, einem ebenso süßen und zufälligen
Gefühl, das ihn gleichermaßen wie eine Dampfwalze überrollt hatte? Hinzu kam
natürlich, dass Pella behauptete, die Ehe sei am Ende, und ein Sieg konnte einen
Mann schließlich durchaus gütig stimmen.
    Deswegen tat Affenlight
David beinahe leid, als dieser jetzt verloren und verstört im Treppenhaus vor
seinem Büro stand und an seinem Handy herumnestelte. Natürlich dachte er gleich
an Menelaos, der gekommen war, um seine Helena zurückzuholen, aber David
schnitt bei dem Vergleich nicht sonderlich gut ab. Draußen goss es, und
obgleich er Galoschen und eine wasserdichte Jacke trug, waren Kopf und Hose
klitschnass. Affenlight fragte sich, welche Sorte Mann in Galoschen zu einer
Unternehmung dieser Art aufbrach.
    »David«, sagte er.
»Guert Affenlight. Sie sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee vertragen.«
    »Wo ist meine Frau?«,
fragte David.
    Affenlight war mit
einem Mal vollkommen ruhig. Das war eine Situation, von der er oft geträumt
hatte: Sein Erzfeind hier, in seinem Büro, ihm ausgeliefert. Aber das
Verlangen, ihm die Leviten zu lesen oder sich zu rächen, hatte sich
verflüchtigt.
    »Haben Sie auf dem
Apparat oben angerufen?«
    »Mehrfach.«
    »Sie ist wahrscheinlich
noch bei der Arbeit.« Affenlight wies mit dem Kopf auf die offene Bürotür.
»Kommen Sie herein. Setzen Sie sich.«
    In natura wirkte David
weniger kräftig als auf dem Foto der Firmen-Website, wo er unter dem Pullover
einen Rolli trug, sich mit dem Stift in der Hand an seinem Zeichentisch nach
hinten lehnte und wohlwollend lächelte. Er besaß, zumindest auf dem Foto, die
förmliche Selbstbeherrschung, die Affenlight mit einer bestimmten Sorte
evangelikaler Christen verband, perfekt gestutzter Bart und so weiter. Heute allerdings
sah er entschieden weniger gut sortiert aus.
    »Ich nehme an, Sie sind
über all das ziemlich erfreut«, sagte David mit leiser und dennoch schriller
Stimme, während Affenlight, der jetzt einfach Kaffee gekocht hatte, unabhängig
davon, ob David welchen wollte oder nicht, ihm einen dampfenden Becher reichte.
    Im Raum gab es noch
einen weiteren, mit den Westish-Insignien verzierten Stuhl wie den, auf dem
David saß, und immer dann, wenn Affenlight einem Gast das Gefühl von gleicher
Augenhöhe und Entspanntheit vermitteln wollte, nahm er selbst dort Platz. Jetzt
allerdings schob er sich hinter seinen riesigen Schreibtisch, der mit
Unterlagen überhäuft war. Seine Arbeitsmoral war in letzter Zeit entschieden
zweitklassig gewesen. »Kommt darauf an, was du meinst«, sagte er. »Ich bin eben
besorgt um Pella.«
    »Sie ist meine Frau«,
sagte David zitternd und noch immer tropfnass. Er stellte den vollen Becher auf
eine Art an der Kante von Affenlights Schreibtisch ab, die etwas Endgültiges
hatte. Vielleicht machte er von seinem Recht Gebrauch, Gastfreundschaft
abzulehnen, womöglich brauchte er aber auch einfach nur Milch. »Wir sind seit
vier Jahren verheiratet.«
    »Ich weiß. Obwohl ich
zur Hochzeit

Weitere Kostenlose Bücher